Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Einleitende Bemerkungen

[…] An unseren Forschungen, über die wir hier sehr selektiv berichten, wirkten Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren mit. Die Teilnehmer besuchten zum Zeitpunkt der Untersuchung unterschiedliche Schultypen. Im Folgenden beziehen wir uns auf eine einzige Gruppendiskussion, die im März 2000 von drei Gymnasiastinnen und einem Gymnasiasten im Alter von 13 bzw. 14 Jahren bestritten wurde. Die Diskussion fand in einem Raum einer katholischen Gemeinde statt, aus deren Jugendgruppe die Forschungspartner rekrutiert wurden. Zur Teilnahme meldeten sich die Jugendlichen freiwillig, als sie im Rahmen eines ihrer Treffen von dem Diskussionsleiter gefragt wurden, ob sie Lust hätten, sich zu je vier Diskutanden an einem Gruppengespräch zum Thema „Geschichte“ zu beteiligen. Die Teilnehmer besuchten damals die achte Klasse derselben Schule einer mittelgroßen Stadt im Südwesten Deutschlands. […]

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

 

Achim: Wenn man so Filme ansieht im Fernsehen, so Sandalenabenteuer oder wie das heißt ((alle lachen)) dat find ich halt nur n bißchen seltsam, weil
da wird ja dann die meiste Zeit/das sind ja dann immer Krieger und die sind dann intelligent und das ist dann eigentlich mehr, äh, das Denken unsrer heutigen Zeit in die von damals versetzt. In die Anzüge und Klamotten von damals halt versetzt.
Diskussionsleiter: mh
Achim: Und das find ich halt irgendwie Schwachsinn. Und wenn man halt ins Landesmuseum geht und da die Mosaike, da kann man dann
wirklich/da kann man dann richtig was über die Kultur erfahren und so. (Z.251-265)

Für Achim ist die mindere Qualität der von ihm so benannten „Sandalenabenteuer“ klar. Einzig die Kleidung, die in den Filmen gezeigt wird, entspricht der damaligen Kleidung. Ansonsten sind alle Differenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit getilgt. Es werden nicht etwa Krieger gezeigt, die etwas anderes denken und tun, als das, was wir heute denken und tun. Die vorgestellten, vermeintlich historischen Charaktere entsprechen uns nämlich in wesentlichen Aspekten. Dass sie anders gekleidet sind als wir, ist auch schon der einzige Unterschied, der Achim allerdings nicht vormachen kann, er sehe einen Film, in dem er etwas historisch Gehaltvolles erfahren würde, was ihm die Eigenarten der dort gezeigten Menschen uns heutigen gegenüber deutlich machen würde. Sein Urteil über solche Filme lautet denn auch folgerichtig „das find ich halt irgendwie Schwachsinn“. Nun ist Achim nicht auf Fernsehdarstellungen angewiesen, weiß er doch, dass es in seiner Stadt ein Landesmuseum gibt, wo er Exponate betrachten kann, mittels derer er „richtig was über die Kultur erfahren“ kann. Im Gegensatz zu der filmischen Darstellung gibt es dort nämlich nicht Produkte zu sehen, die ganz und gar das künstliche Produkt heutigen Denkens sind und ja auch ganz anderen Interessen dienen als denen historischer Aufklärung.

Vielmehr findet er dort etwa Mosaike, Objekte also, die nicht von uns, sondern von Angehörigen vergangener Generationen hergestellt wurden und uns in ihrer Materialität etwas über die damalige Kultur „sagen“.

Mit freundlicher Genehmigung des Forums Qualitative Sozialforschung.
http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/904
 

Nutzungsbedingungen:
Das vorliegende Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, bzw. nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt – es darf nicht für öffentliche und/oder kommerzielle Zwecke außerhalb der Lehre vervielfältigt, bzw. vertrieben oder aufgeführt werden. Kopien dieses Dokuments müssen immer mit allen Urheberrechtshinweisen und Quellenangaben versehen bleiben. Mit der Nutzung des Dokuments werden keine Eigentumsrechte übertragen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an.