Hinweis des Fallarchivs – Die vorliegende Falldarstellung kann gemeinsam gelesen werden mit:

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Der Übergang auf das „exklusive“ Gymnasium

Mit Clemens wird nun, kontrastiv zu Aron, eine problematische Einmündung auf das exklusive Gymnasium dargestellt und anschließend mit weiteren Fällen kontrastiert. Ähnlich wie bei Aron zeigt sich bei Clemens ein hoher Einfluss der Familie auf seine schulische Karriere. Clemens‘ Mutter ist sehr aufstiegsambitioniert und tritt (mit der Großmutter) als „Bildungsanwältin“ auf. Früh stellt sie die Weichen für eine exklusive gymnasiale Karriere, indem sie Clemens bereits im Kindergartenalter im renommierten städtischen Chor anmeldet. Damit scheint von langer Hand der Zugang zum exklusiven städtischen Gymnasium mit Musikzweig anvisiert.
Clemens‘ Grundschullaufbahn (1. Interview) ist einerseits bruchlos, andererseits nicht ohne Probleme. Er ist zwar ein guter und leistungsorientierter Schüler, der sich im oberen Leistungsmittelfeld bewegt und die gymnasiale Schullaufbahnempfehlung er­hält. Er kann jedoch nicht in der gleichen Leichtigkeit wie andere Schüler exzellente Ergebnisse erreichen, sondern muss Lernschwierigkeiten durch verstärktes Üben kom­pensieren. So führen Dreien auf seinem ersten Zeugnis dazu, dass er sein häusliches Übungspensum deutlich erhöht, wodurch es ihm jedoch gelingt, sich überall auf eine Zwei zu verbessern.
In Clemens‘ individuellem Orientierungsrahmen besitzt die Schule und die schuli­sche Leistung durchaus eine große Relevanz. Die Erfüllung der schulischen Leistungsanforderungen sind innerhalb seines Orientierungsrahmens aber stark durch außenge­leitete Bezüge und Anforderungen der Mutter bestimmt. Eine besondere Bedeutung gewinnt die Schule für ihn eher als ein Orientierung und Sicherheit gewährender le­bensweltlicher Zusammenhang. Die Grundschule und seine Klassengemeinschaft ent­sprachen sehr stark diesem Aspekt seines positiven Gegenhorizonts.
Infolge des Einflusses der Mutter auf seine Schulkarriere, der ihm undurchsichtig bleibt, kommt es auf der Ebene der Enaktierungspotentiale zu erheblichen Widersprü­chen im individuellen Orientierungsrahmen. Einerseits begegnet er dem Leistungsabfall in Fächern aktiv und gezielt mit verstärktem Üben und erhöhter Lernzeit, was einer Haltung von Eigenverantwortung und Gestaltbarkeit seiner schulischen Lage entspricht. Dem steht andererseits eine Haltung gegenüber, in der (z.B. in der fehlenden Planungs- ­und Prognosemöglichkeit von schulischen Noten) ihm schulische Anforderungen, Be­wertungen und ihr Funktionieren zum Teil unbegreifbar und seinem Einfluss entzogen bleiben.
Clemens ist am Ende der Grundschulzeit, in Übereinstimmung mit der Schullaufbahnempfehlung, auf das Gymnasium orientiert. Der Besuch des Gymnasiums stellt innerhalb seines Orientierungsrahmens aber keine Selbstverständlichkeit dar, sondern wird auch mit Unsicherheit und Scheiternsrisiken verbunden. Durch den Einfluss der Mutter und Großmutter übernimmt er schließlich deren Schulpräferenz und favorisiert das „exklusive“ Gymnasium mit Musikzweig. Damit vertraut Clemens der „Bildungs­anwaltschaft“ seiner Mutter, ohne über den „exklusiven“ Status und die hohen Leis­tungsanforderungen im Bilde zu sein. Zwar muss auch er sich einer Aufnahmeprüfung unterziehen. Diese ist jedoch auf den Nachweis musikalischer Befähigung begrenzt und nicht mit den Leistungstests der anderen Schüler vergleichbar. Sein 2. Platz in der Auf­nahmeprüfung stützt zusätzlich die Verkennung seiner eigenen Passförmigkeit.
Damit steht der Übergang unter den Vorzeichen einer verkennenden antizipatorischen Deutung. Dies mündet (2. Interview) entsprechend in deutliche Übergangsschwierigkeiten in Form von Leistungseinbrüchen und Fremdheitserfahrungen. Cle­mens fühlt sich zu Beginn deutlich deplatziert und geht ungern zur Schule. Somit lässt sich Clemens Schulkarriere vorläufig als krisenhafte, labile Aufstiegskarriere bezeichnen.
Die Übergangserfahrung beinhaltet für Clemens vor allem Risiken, die von den ho­hen schulischen Leistungsanforderungen ausgehen, die zu Leistungseinbrüchen führen und Zweifel aufkommen lassen, ob Clemens den Anforderung genügen kann. Ein weite­res Risiko für die Schulkarriere geht gerade von seinen aktiven Enaktierungspotentialen aus: Auf den Leistungseinbruch reagiert er mit erhöhter Anstrengungsbereitschaft und vermehrter Schularbeit. In Verbindung mit den zeitlich expansiven Choraktivitäten deutet sich bereits in den Anfangsmonaten an der neuen Schule eine Art Teufelskreis an, weil jeder Tag bis in den Abend hinein mit schulischem und Chorengagement vollstän­dig ausgefüllt ist. Es droht eine physische und psychische Überlastungsspirale. Chancenpotentiale könnten in der Aufdeckung der bestehenden Verkennung der Schule und der heteronomen Steuerung seiner Schulkarriere durch die Mutter liegen. Dann könnte es gelingen, einen neu abgestimmten und realistischeren Bezug zum exklusiven Gymna­sium herzustellen. Die Chancenpotentiale werden jedoch deutlich von den Risiken do­miniert, so dass er für das exklusive gymnasiale Segment als Eckfall eines besonders prob­lembelasteten Schülers markiert werden muss. Darüber hinaus steht der Fall Clemens für einen spezifischen Aufstiegstypus (vgl. Fend 1997, S. 281). Mit Abitur, Studium und der Arbeit als Buchhalterin auf Seiten der Mutter und der Tätigkeit des Vaters als selbstän­diger Fotograph strebt die Familie einen Bildungsaufstieg ins exklusive gymnasiale Bil­dungssegment an. Dabei nimmt die Aufstiegsorientierung für Clemens den Charakter einer verschleierten Statustransformation an, die zu einem Schulkarriererisiko führt. Zudem wird – wie bei Aron – das gesamte kindliche Leben dem Bildungsaufstieg gewid­met, so dass von einer verschleiert-aufstiegsorientierten Überanpassung der Familie an die Schule gesprochen werden kann.
Im stärksten Kontrast hierzu steht der Fall Rainer, der den Typus einer gelungenen exklusiven Statusreproduktion durch schulische Bildung verkörpert. Seine Familie gehört zur Wirtschafts- und Bildungselite der Stadt und bezieht sich mit großer Selbstver­ständlichkeit auf das exklusive gymnasiale Segment. Mit dem Besuch dieses Gymnasi­ums setzt Rainer eine Familiendynastie und -tradition an dieser Schule fort, die schon die Mutter, Brüder und andere Verwandte besuchten. Seine Schulkarriere ist die eines exzellenten Schülers, für den die Zwei bereits den negativen schulischen Horizont mar­kiert und für den die „perfekte“ Eins (die volle Punktzahl) zählt. So gestaltet sich sein Übergang auf diese exklusive Schule sehr passförmig und positiv. Dennoch deuten sich Risikopotentiale an: Sein hoher Fähigkeitsentwurf der Exzellenz und natürlichen Bega­bung, mit dem er sich distinktiv absetzt, ist auf der neuen Schule gefährdet, da es schwieriger wird, sich unter „den Besten der Besten“ als Bester zu behaupten.[1]
Maren stammt zwar aus einer Familie mit hohem kulturellem Kapital. Sie wählt das exklusive Gymnasium aber eigenständig an, um Peermilieus zu vermeiden, die ihre starke Leistungs- und Bildungsorientierung in der Grundschulzeit stigmatisierten. Eine solche Stigmatisierungsgefahr hält sie an diesem exklusiven Gymnasium der Leistungs- ­und Bildungsorientierten für gering. Allerdings zeigt sich auch in diesem Übergang ein Risikopotential, da sich mit der Einmündung in dieses selektierte Peermilieu eine Distinktion „auf höchstem Niveau“ verbindet, was die Peerbeziehungen erneut überschat­ten könnte.
Auch Henriette wählt aktiv, selbstbestimmt und selbstbewusst die exklusiven Gymna­sien an, indem sie an drei Gymnasien Eingangsprüfungen absolviert, jede besteht und sich für das traditionsreichste Gymnasium entscheidet. Es liegt damit ein kindlich selbstbestimmter Aufstiegstypus in das exklusive gymnasiale Segment vor. Henriette muss jedoch wie Clemens nach dem Übergang Leistungseinbußen hinnehmen, die zwar kein Abstiegsrisiko darstellen, sie aber nicht nahtlos an ihre frühere Exzellenz (Klassenbeste) anschließen lassen. Ein zweites Risikopotential teilt Henriette mit Clemens – auch sie fühlt sich zunächst deplatziert an dieser Schule. Insofern bilden die Neujustie­rung ihres Exzellenzentwurfs und die Integration in die exklusiv selektierten Peers Risi­kopotentiale der Schulkarriere, die gegenüber dem insgesamt positiven Verlauf des Übergangs aber nicht dominant sind.

Der individuelle Orientierungsrahmen der Heranwachsenden und die Chancen und Risiken des Übergangs

Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Rekonstruktion individueller Orientierungsrahmen der Heranwachsenden für den Übergang und die Schulkarriere gewinnen? Die­se Frage soll unter den folgenden Perspektiven beantwortet werden:

  1. die Bedeutung des Übergangs im Horizont des kindlichen Orientierungsrahmens;
  2. der Einfluss des Verhältnisses der Schulwahl zum positiven bzw. negativen Gegen­horizont des Orientierungsrahmens auf den Übergang;
  3. die Relevanz des Einbezugs der Kinder in die Übergangsentscheidung zwischen pas­sivem Erleiden und aktivem Gestalten;
  4. sowie die Chancen- und Risikopotentiale der weiteren Schullaufbahn im Zusam­menhang von Übergang und individuellem Orientierungsrahmen.

1. Zwar zeigen unsere Fallstudien die große Bedeutung der Eltern für die Schulformwahl. Es wird aber auch deutlich, dass die Kinder im Alter von zehn Jahren bereits selbst über einen bildungsbezogenen Orientierungsrahmen mit einer feinen Differenzierung der stratifizierten Schullandschaft verfügen, der für die Übergangsentscheidung und -erfahrung sehr bedeutsam wird und nicht einfach eine Fortsetzung der elterlichen Orientierungen ist.[2] Besonders klar wird dies in den beiden innergymnasialen Auf­stiegsmustern (Henriette, Maren), in denen die Mädchen das exklusive gymnasiale Segment, dessen Zugänglichkeit durch Eingangsprüfungen zusätzlich erschwert wird, eigengesteuert anstreben. Diese starke Eigenorientierung findet sich aber auch im Fall der positiven Antizipation der Hauptschule bei Michelle.
Allerdings variiert die Differenziertheit des bildungsbezogenen Orientierungsrah­mens zwischen einer starken Ausdifferenzierung z.B. bei Schülern des exklusiven gym­nasialen Bildungssegments, aber auch beim bildungsbezogenen Hauptschüler Aron, und deutlicher Indifferenz z.B. im schuldistanzierten Fall Peter. Rainer und Peter bilden den stärksten Kontrast. Sie repräsentieren Muster der Bildungsreproduktion am jeweils „anderen Ende“ der Bildungsstratifizierung – als Reproduktion exklusiver schulischer Bildungsexzellenz und schulferner Bildungsdistanz.[3]

2. Von zentraler Bedeutung für die Antizipation des Schulwechsels und dessen Verar­beitung ist, inwiefern die neue Schule anschlussfähig an den positiven Gegenhorizont des bildungsbezogenen individuellen Orientierungsrahmens ist bzw. ob diese im nega­tiven Gegenhorizont verortet werden muss. Wenn es gelingt, die antizipierte Schule und die ersten neuen schulischen Erfahrungen unproblematisch an den positiven Gegenho­rizont anzuschließen, wird der Übergang positiv gedeutet und die weitere Schulkarriere eher als erfolgreiche entworfen. Dies kann selbst für die Einmündung in die stark nega­tiv selektierte Hauptschule gelten (Michelle), wenn diese zugleich als vertrauter sozialer Rahmen und Ort für Bildungsaufstieg antizipiert werden kann. Besonders deutlich gilt dies auch für die Einmündung in das exklusive Gymnasium, das für alle vorgestellten Fälle im positiven Gegenhorizont angesiedelt ist. Allerdings zeigen sich hier auch mehr oder weniger deutliche Irritationen nach der Ankunft und muss sich die anfängliche Passförmigkeit auch im Weiteren bewähren. Umgekehrt zeigt sich dieser Einfluss bei Aron, bei dem die Verortung der neuen Schule im negativen Gegenhorizont den Über­gang überschattet und zu einer zunehmend problematischen Schulkarriere beiträgt.

3. Wir sind auf unterschiedliche Formen der Beteiligung der Kinder an der Schulaus­wahl gestoßen: Einen Eckfall bildet Aron, der mit seinen Eltern, nach vergeblichen Ver­suchen die Hauptschulzuweisung zu vermeiden, eine vollständige Fremdplatzierung erleidet. Auch für Clemens gestaltet sich der Übergang auf das exklusive Gymnasium passiv – allerdings nicht wie bei Aron als institutionelle, sondern als mütterlich initiierte und durch Verkennung gekennzeichnete Fremdplatzierung. Bei den beiden schuldistan­zierten Fällen stoßen wir auf eine Kongruenz von Fremd- und Selbstplatzierung. Sie wer­den der Hauptschule zugewiesen und wählen diese von sich aus als die selbstverständli­che Schule an. Eine ähnliche Übereinstimmung von Fremd- und Selbstplatzierung findet sich im Fall der exklusiven Bildungsreproduktion (Rainer). Er selbst verbürgt die familiär vorgegebene Selbstverständlichkeit der Anwahl des exklusiven gymnasialen Segments. Besonders deutliche Formen der aktiven Eigensteuerung finden sich bei den aufstiegsorientierten Fällen im exklusiven gymnasialen Segment. Beide Mädchen wäh­len aktiv exklusive Gymnasien an und beeinflussen ihrerseits die Eltern dahingehend, diese Wahl mitzutragen.

4. Die Chancen und Risiken des Zusammenspiels von Übergang und Orientierungsrahmen für die Schulkarriere lassen sich auf zwei Dimensionen beziehen: Erstens auf die Verortung der Übergangsschule im positiven oder negativen Gegenhorizont des individuellen Orientierungsrahmens und zweitens auf die eigenaktive Beteiligung bei bzw. das passive Erleiden der Schulauswahl.

Für die erste Dimension können wir folgende Chancen- und Risikomuster bestim­men: Mit dem Fall Clemens liegt ein Risikomuster vor, bei dem das exklusive Gymna­sium zwar nicht im negativem Gegenhorizont platziert ist, jedoch weit über die allge­meine Gymnasialorientierung seines positiven Gegenhorizontes hinausgeht und diese Diskrepanz zusätzlich durch Verschleierungen unzugänglich bleibt. Risikopotentiale ge­hen hier von den steigenden und tendenziell überfordernden schulischen Bemühungen aus und von der verkennenden, fatalistischen Haltung der Institution gegenüber. Dieses Risikomuster bezeichnen wir als durch die verkennende Verortung der Schule im positiven Gegenhorizont problembelastete und von Scheitern bedrohte Schulkarriere. Ein zweites Risikomuster liegt vor, wenn der Übergang im Horizont eines stark auf Schulleistung bezogenen Orientierungsrahmens als Ankunft im negativen Bildungsgegenhorizont er­scheint, sich selbst an diesem negativen Bildungsort weiteres Versagen einstellt und dar­aus grundlegende Erschütterungen des eigenen Selbstwertes resultieren (Aron). Die Kri­senhaftigkeit steigt, wenn die Anerkennung der Eltern eng an den Schulerfolg geknüpft ist und auch im Kontext der Peers keine Stabilisierungsmöglichkeiten bestehen. Dieses Risikomuster haben wir als besonders problembelastete, absteigende und gescheiterte Schulkarriere eines „missratenen Sohnes“ bezeichnet. Das entgegengesetzte Chancenmus­ter repräsentiert der Fall Rainer, den wir als Typ einer erfolgreichen exklusiven Status­reproduktion durch die schulische Bildung eines „gelungenen Sohnes“ bezeichnen.
Die Ankunft im negativen Bildungshorizont, die antizipatorische Verkennung der Ankunftsschule als positiver Gegenhorizont sowie das drohende Scheitern im positiven Gegenhorizont der neuen Schule – das sind deutliche Risikopotentiale des Übergangs und der weiteren Schullaufbahn. Dagegen ist die Verortung der Ankunftsschule im posi­tiven Horizont für den Übergang und die weitere Schullaufbahn vor allem ein Chan­cenpotential – und das unabhängig davon, ob diese sich auf leistungs- oder peerrele­vante Kriterien bezieht.
Obwohl die geschilderten Chancen- und Risikomuster nicht auf die Hauptschule oder das „exklusive“ Gymnasium begrenzt sind, scheint es einen exklusiv-gymnasialen und einen hauptschulspezifischen Risikofokus zu geben: Für die Hauptschule besteht er darin, die Einmündung in einen abgewerteten Bildungsort an den positiven Gegenhori­zont des Orientierungsrahmens anschlussfähig zu halten, und für das exklusive Gymna­sium darin, sich im Wettstreit der Besten weiter als exzellent zu erweisen – also eine „Exzellenz-Bewährungsprobe“ zu bestehen. Dies betrifft nicht nur die Neujustierung des Leistungsstatus der sich bislang als „Beste“ entwerfenden Schüler, sondern – insbe­sondere für die Aufstiegsmuster – auch die Frage der Anerkennung durch die Peers: Ge­höre ich zur „exklusiven Gemeinschaft“ dazu?

Für die Chancen- und Risikopotentiale, die aus dem Grad der eigenaktiven Beteili­gung an der Übergangsentscheidung resultieren, lassen sich die folgenden Ableitungen formulieren: 

  • Der aktive Einbezug der Kinder in die Schulwahl geht in der Regel mit einer positi­ven Schulantizipation und Übergangserfahrung einher. Risikopotentiale entstehen dann, wenn eine Anknüpfung an vormalige Exzellenzentwürfe nicht gelingt oder sich habituell begründete Fremdheitserfahrungen (z.B. in Aufstiegslinien) ausweiten.
  • Die Kongruenz von Fremd- und Selbstplatzierung geht in der Tendenz mit einer po­sitiven Übergangserfahrung einher. Risikopotentiale liegen in der misslingenden Fortschreibung eigener Fähigkeitsentwürfe. Auch die selbstselektive Hauptschulwahl kann langfristig Krisen freisetzen.
  • Die stärkste Risikobelastung finden wir in den Fällen eines deutlichen passiven Erleidens des Übergangs – entweder als umfassende passiv erlittene Fremdplatzierung oder als Fremdplatzierung, die Ergebnis einer Verkennung im Zuge familiärer Auf­stiegsambitionen ist. Chancenpotentiale hegen hier in der Aufdeckung und trans­formatorischen Neubestimmung des schulischen Bezugs.

Bedeutsam ist abschließend, dass Chancen- und Risikopotentiale nicht eindimensional zu verstehen sind, sondern in Chancen auch zukünftige Risiken enthalten sein können und vice versa. Dies gilt es mit dem Einbezug der anderen Eckfälle unseres Samples und vor allem mit der Fortsetzung unserer Längsschnittanalysen weiter auszudifferenzieren.

Fußnoten:

[1] Dies verweist auf den Bezugsgruppeneffekt (vgl. Lange/Kuffner/Schwarzer 1983; Koller 2004).

[2] Die Relevanz elterlicher Bildungsorientierungen für die Schulkarriere wird hier nicht in Frage gestellt. Es geht uns viel eher um eine Ausdifferenzierung der habituellen Orientierungen aus der Perspektive der Kinder. Hier wäre es mit unserem Material der Schülerinterviews einer­seits gerade vorschnell, auf einen kollektiven familialen Orientierungsrahmen zu schließen. Andererseits deuten sich in einigen Fällen Diskrepanzverhältnisse zwischen dem individuel­len Orientierungsrahmen der Kinder und den elterlichen Orientierungen an (vgl. dazu den Punkt 3.).

[3] Hier und zu den anderen Punkten lassen sich Überlegungen zum Problem der bildungsbezo­genen sozialen Ungleichheit anschließen, die in diesem Beitrag aber nicht im Zentrum stehen und für den Fortgang des Projektes anvisiert sind.

Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Beltz
http://www.beltz.de/de/paedagogik/zeitschriften/zeitschrift-fuer-paedagogik.html

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