Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Die Verwendung der dokumentarischen Methode in der fachdidaktischen Unterrichtsforschung soll anhand von zwei Beispielen näher erläutert werden, in denen die Methode auf Kleingruppenarbeit im Fachunterricht angewandt wird. Diese Situation hat Ähnlichkeit mit dem klassischen Gegenstand der Methode, der Gruppendiskussion, unterscheidet sich aber insofern davon, als mit der Stellung einer fachlichen Aufgabe ein umfangreicher Impuls gesetzt wird. Dabei wird außerdem die Verwendung der Argumentationsanalyse und eines fachspezifischen Kompetenzmodells demonstriert.

In einer Studie zu bilingualem Chemieunterricht (Bonnet 2004) wurde Gruppen von je drei bis vier Lernenden in einer Lernumgebung mit Nachschlagewerken und Material zum Experimentieren jeweils ein Problem vorgelegt, das sie mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Ressourcen lösen sollten. Sie waren dabei in ihrem Vorgehen frei, und das Problem war so offen formuliert, dass für die Lernenden verschiedene Möglichkeiten bestanden, dieses Problem zu konzeptualisieren. Je nachdem, wie sehr diese Konzeptualisierung chemische bzw. in einem allgemeineren Sinne naturwissenschaftliche Züge hatte, bearbeiteten sie das Problem auf einem Kontinuum von alltagsweltlichem zu fachlichem Diskurs.

Die Gruppen einer zehnten Klasse eines bilingualen Gymnasiums arbeiteten außerhalb des Unterrichts am Nachmittag allein in ihrem Fachraum. Ihnen stand ein Moderator zur Verfügung, der nur zur Gruppe hinzutrat, wenn sie Hilfe erbat oder signalisierte, dass sie eine Aufgabe abgeschlossen hatte. Diese Situation trägt damit also Züge eines experimentellen Settings. Andererseits handelte es sich um Gruppen, die auch im Fachunterricht zusammen arbeiten würden. Die Gruppen hatten außerdem ausgeprägte Gruppendynamik, und es wurden auch Versuche unternommen, die Aufgaben ganz zu verweigern (s.u.). Insofern sind die Prozesse in der Gruppe wiederum sehr alltagsnah und damit mindestens in weiten Teilen auf Unterricht übertragbar.

Die Analyse mittels der dokumentarischen Methode ermöglicht zunächst, die Interaktion der Lernenden zu rekonstruieren. Aufgrund ihres zweifachen Fokus auf Inhalt und Diskursstruktur [1] können die beiden wichtigsten Bestandteile der Interaktion erfasst werden. Vor allem in der reflektierenden Interpretation werden nämlich die von den Schülerinnen und Schülern in der Konzeptualisierung des Problems entwickelte Aufgabenstruktur (ATS) und die dabei entstehende Partizipationsstruktur der Gruppe (SPS) rekonstruiert. Um diese Strukturen möglichst genau beschreiben zu können, wird dieser Analyseschritt unter Beibehaltung des rekonstruktiven Vorgehens mit einer Argumentationsanalyse vertieft. Dies soll anhand einer Focussierungsmetapher der Gruppe gezeigt werden, die es geschafft hat, nach sehr holprigem Start eine demokratische Partizipationsstruktur zu etablieren.

Zuvor soll aber kurz das zu bearbeitende Problem skizziert werden [2], das in drei Impulsen angeboten wurde. Der erste Impuls präsentiert den Lernenden das Anliegen mittelalterlicher Alchemisten, unedle Metalle in Gold zu verwandeln. Die Lernenden sollen herausfinden, ob man mit einem der in ihrer Lernumgebung (Glasgeräte zum Experimentieren, Stoffe, Bücher) bereit gestellten Stoffe einen Eisennagel in Gold verwandeln kann [3]. Durch die offene Formulierung können die Lernenden auf ganz verschiedenen Wegen zu einer Antwort kommen [4]. Der zweite Impuls setzt den ersten Teil als gelöst voraus: Man kann den Eisennagel nicht in Gold verwandeln. Taucht man ihn in eine Lösung aus den bereit gestellten Stoffen Schwefelsäure und Kupferoxid, bildet sich auf der Oberfläche allerdings Kupfer, das ähnlich aussieht wie Rotgold. Die Lernenden werden nun aufgefordert, genauer zu erläutern, wie sie sich die ablaufenden Prozesse vorstellen. Der dritte Impuls schließlich fragt die Lernenden, was passiere, wenn man einen Goldring in die gleiche Lösung tauche. Alle drei Impulse können auf einem Kontinuum von fachchemisch abstrakt bis alltagsweltlich konkret beantwortet werden. In unterschiedlichen Gruppen findet man dieses Spektrum auch wieder. Im Folgenden möchte ich zwei Gruppen des Samples vorstellen, die sich in ihrer Bearbeitung der Aufgabe deutlich unterscheiden. Während die zweite Gruppe auseinandergefallen ist, hat die erste Gruppe die komplexeste und anspruchsvollste Lösung erarbeitet.

Rekonstruktion der Inhalte (academic task structure – ATS)

Auf der inhaltlichen Ebene (ATS) ergibt die Rekonstruktion zwei Meilensteine, die sich als Focussierungsmetaphern zeigen. In einem ersten Angang entwickelt die Gruppe eine eher lebensweltliche Deutung, nach der sich die betrachteten Stoffe zunächst entmischt und dann neu gemischt haben. Ein Teilnehmer geht in seiner Konzeptualisierung weiter und möchte über geladene Teilchen sprechen, die sich nach seiner Vorstellung gegenseitig anziehen und abstoßen können. Diese Konzeptualisierung setzt sich aber im Diskussionsverlauf nicht durch. Stattdessen wechseln die Lernenden zu einer formalen Betrachtung des Geschehens und versuchen, chemische Reaktionsgleichungen zu schreiben. Wieder kommt dabei das Thema Ladungen auf den Tisch, wieder ist es kurz davor, in eine Focussierungsmetapher zu münden, wieder kann es sich nicht durchsetzen. Diese Betrachtung mündet in eine sehr dichte Passage, die als erste Focussierungsmetapher aufgefasst werden kann:

Die Interpretation verwendet nun die Begriffe Datum, Konklusion, Schlussregel und Stützung der Argumentationsanalyse (s.u.), um zu illustrieren, wie diese Methode die Rekonstruktion unterstützt. Die Argumentation lässt sich in sechs Züge unterteilen:

  1. Tony bringt zunächst erneut zum Ausdruck (Konklusion), dass das Eisen (Fe) nicht an der Reaktion teilgenommen habe, weil mit ihm keine beobachtbare Veränderung (Datum) stattgefunden hat. Die nicht explizite Schlussregel wäre in diesem Fall: Chemische Reaktionen führen zu beobachtbaren Veränderungen der Stoffe. In seinem Argumentationszug nimmt er somit Bezug auf eine fachchemische empirische Stützung.
  2. Robert reagiert darauf, indem er mutmaßt, dass es sich bei dem Prozess dann um „plating“ (dt: Galvanisierung) gehandelt haben könnte (Konklusion). Dabei wird in einer chemischen Reaktion ein Metall mit einem anderen überzogen. In seinem Argumentationszug verwendet er dasselbe Datum und dieselbe Schlussregel wie Tony. Er vermutet darüber hinaus, dass die Veränderungen des Eisens, die mit ihm während der chemischen Reaktion geschehen sind, unter der Kupferschicht verdeckt werden und somit nicht beobachtbar sind. Auch er verwendet also eine fachchemische Stützung.
  3. Diese Konzeptualisierung setzt sich nicht durch. Während Gunnnar zustimmt, beharrt Tony darauf, dass man nach Abkratzen des Belags keine Veränderung des Eisens gesehen habe (Datum). Er begründet damit die Konklusion, dass keine Reaktion stattgefunden habe.
  4. Gunnar schlägt nun den Begriff „attraction“ vor: Es handele sich um Anziehung zwischen Teilchen ohne chemische Reaktion (Konklusion). Damit verwendet er eine lebensweltliche Stützung, deren
    Schlussregel wie folgt lauten könnte: Ein Stoff (hier Kupfer) kann durch Anziehung entstehen oder sichtbar werden.
  5. Während Robert nur körpersprachlich reagiert (seine Belustigung scheint Ablehnung zum Ausdruck zu bringen), widerspricht Tony offen. Der Dissens ist theoretisch nicht zu klären. Es steht Aussage gegen Aussage, argumentationstheoretisch gesprochen: Konklusion gegen Konklusion.
  6. Robert findet einen Ausweg, indem er nicht auf dieser Ebene der Konklusionen ansetzt, sondern auf der Ebene der Daten. Er erinnert daran, dass sie noch einen zweiten Versuch mit einem zweiten Nagel durchgeführt hatten und sorgt dafür, dass ein neues Datum in die Diskussion eingebracht wird.

Die erste Focussierungsmetapher bringt also in wechselseitiger Argumentation die Begriffe „plating“ und „attraction“ hervor, die dazu dienen, zwischen den noch widersprüchlichen Konzeptualisierungen der Lernenden zu vermitteln. Damit ist eine begriffliche Basis formuliert, von der aus die Gruppe gemeinsam weiter denken kann. Diesen Prozess durchlaufen die Lernenden noch zwei Mal. Beim zweiten Versuch – streng genommen einer erneuten Analyse eines vorangegangenen Versuchs – stellen sie fest, dass sie eine falsche Beobachtung gemacht haben, ihre Argumentation also auf einem nicht korrekten Datum beruhte. Ihnen wird nämlich klar, dass der Nagel vor und nach dem Versuch eben nicht gleich aussah. Auf der Basis ihrer gemeinsam akzeptierten Schlussregel, dass eine Stoffveränderung auf eine chemische Reaktion schließen lässt, einigen sie sich nunmehr gemeinsam darauf, dass eine Reaktion stattgefunden hat, an der der Nagel beteiligt war. Auf dieser Basis kommt es bei der Formulierung des Ergebnisses zur zweiten Focussierungsmetapher:

Mit der anfangs formulierten Reaktionsgleichung konzeptualisieren die Lerner das Geschehen zum einen als chemische Reaktion. Zum anderen entscheidet sich hier der zuvor hin- und her wogende Dissens, und es werden keine Ladungen berücksichtigt. Dies erzeugt einen fachlichen Widerspruch: Eigentlich kann sich kein Metall abscheiden, ohne dass dabei Ladungen ausgetauscht werden. Die Schüler verwenden nun den fachchemischen Terminus „plating“ (dt. Galvanisierung), um damit ihre Konzeptualisierung zu bezeichnen. Robert und Gunnar führen den Terminus kollektiv ein, und Gunnar und Tony erläutern anhand des Beispiels mit dem Zinkstab (zinc bar), dass sie „plating“ als Ummantelung des Eisennagels verstehen, durch die die darunter liegenden Schichten geschützt werden und die nur durch besonders heftige Reaktionen entfernt werden kann. Die Gruppe hat damit einen stabilen Orientierungsrahmen entwickelt: Das behandelte Problem wird als chemische Reaktion – in deren Verlauf ungeladene Teilchen ausgetauscht werden – konzeptualisiert. Dabei entsteht eine stabile Schicht, die das darunter liegende Metall schützt. Die Gruppe hat somit in kollektiver Argumentation einen fachchemischen Terminus neu konzeptualisiert und eine zwar fachchemisch widersprüchliche aber im Orientierungsrahmen der Gruppe stabile Deutung erzeugt.

Rekonstruktion der Interaktion (social participation structure – SPS)

Auf der Ebene der Partizipationsstruktur (SPS) ist auffallend, dass die Gruppe hochgradig kooperativ und einvernehmlich agiert. Erstens wechseln in beiden Focussierungsmetaphern die Redebeiträge in stetem Wechsel der Sprecher, die gegenseitig Sätze weiterführen und sich intensiv zuhören. Die Gruppe hat also eine ausgeglichene Partizipationsstruktur. Zweitens finden sich zahlreiche explizit formulierte Zustimmungen zu Beiträgen anderer Lerner. Drittens ergeben sich begriffliche Kulminationen im gemeinsamen oder unmittelbar aufeinander folgenden Aussprechen zentraler Wörter: attraction im ersten und plating im zweiten Auszug. Im zweiten Auszug wird diese Kooperativität noch dadurch betont, dass alle drei Lerner unmittelbar danach das gefundene Ergebnis aufschreiben. Viertens mündet die gesamte Sequenz darin, dass Tony und Gunnar gemeinsam die Erklärung eines Datums, das sie bisher nicht erklären konnten, formulieren und Robert dies mit „ja“ explizit bestätigt. Diese Struktur ist nicht von Anfang an gegeben, sondern in der Ausführung und Auswertung des hier nicht wiedergegebenen ersten Versuchs kommt es bei der Gruppe zunächst zu einer intensiven Aushandlung der Rollen und Aufgaben der Lernenden. Die Rekonstruktion der Interaktion nach dieser ausgesprochen streitbaren Sequenz bringt folgende Rahmung der Situation durch die Gruppe zutage: ein kooperativ und in fachlicher Orientierung zu bearbeitendes naturwissenschaftliches (hier v.a. chemisches) Problem, zu dessen Lösung alle Gruppenmitglieder ihr gesamtes Wissen und Können, im Gegenstandsbereich sowie ihre gesamte Aufmerksamkeit zur Verfügung stellen.

Dies ist nicht selbstverständlich. Nicht immer entsteht ein. fachlicher Orientierungsrahmen, schon gar nicht ein von allen Lernenden geteilter. Die Stärke der dokumentarischen Methode hegt darin, dass genau dies spätestens bei der reflektierenden Interpretation zutage tritt. In starkem Kontrast zum bisher diskutierten Beispiel hat eine andere Gruppe keine gemeinsame Rahmung der Situation etabliert. Während zwei der vier Teilnehmer arbeiten, kommentiert ein dritter Lerner diese Bemühungen immer wieder spöttisch. Dass er die anderen sogar als „Verräter“ bezeichnet, zeigt, dass er von ihnen eigentlich einen Boykott der Aufgabe erwartet hätte, der vielleicht sogar zuvor vereinbart wurde. Als Steigerung seiner Ablehnung setzt er sich im Laufe der Arbeit auf die andere Tischseite und .gibt’ schließlich seine Störungsversuche ganz auf: „ok, lass ich’s“. Damit fällt die Gruppe endgültig auseinander, und im Beenden der gemeinsamen Praxis wird auch der etablierte gemeinsame Erfahrungsraum getrennt.

Die Trennung verläuft entlang der unterschiedlichen Situationsdefinitionen: Während der störende Lerner die ganze Situation als schulische Veranstaltung rahmt, deren intentionalen Ausdruckssinn er unterläuft, wenden sich zwei andere dem Problem zu, für das sie offensichtlich ein situatives Interesse entwickeln. Der vierte Schüler zieht sich nach einer Phase des Hin- und Hers zwischen den konkurrierenden Rahmungen der Situation auf eine dritte Position zurück. Er führt das Protokoll und nimmt damit eine fachlich akzeptierte aktive Beobachterrolle ein.

Subsumtionslogischer Bezug auf fachliches Kompetenzsystem

Im Sinne der Kombination abduktiv-rekonstruktiver und subsumtionslogisch- hypothesenprüfender Verfahren ist es im Anschluss an die Rekonstruktion möglich, den bzw. die rekonstruierten Orientierungsrahmen auf ein skaliertes Kompetenzmodell zu beziehen. Dies kann sowohl die Aufgaben- als auch die Partizipationsstruktur betreffen, je nachdem, ob man fachliche oder soziale Kompetenz erfassen möchte. Trennt man die Aussagen der Lernenden, so können sogar Erkenntnisse über die Kompetenz einzelner Diskussionsteilnehmer gewonnen werden. Aufgrund der Dynamik der Gruppensituation sollten diese Befunde allerdings dringend mit weiteren Daten (z.B. Gruppendiskussion zu anderem Thema, schriftliche Aufgabe) abgeglichen werden.

Indem der rekonstruktive und der hypothesenprüfende Schritt klar voneinander getrennt werden, ergeben sich positive Wirkungen in beide Richtungen. Zum einen gewinnt die subsumtionslogische Analyse des hypothesenprüfenden Schritts an Gültigkeit, da der sonst hinter dem Konstrukt der Inter-Rater-Reliabilität versteckte Interpretationsschritt offen gelegt wird. Zum anderen erhöht sich die Wirkung des rekonstruktiven Schritts, da dessen Ergebnis anschließbar an bestehende und ggf. in large-scale-Untersuchungen verwendete Kompetenzsysteme wird. Schließlich profitieren auch die Kompetenzmodelle selbst, da die intensive Rekonstruktion der Orientierungsrahmen sehr deutlich zeigt, ob die Stufung des Modells tragfähig ist oder die verwendeten Stufen verändert oder ergänzt werden müssen. Es findet also eine rekonstruktive Differenzierung und Validierung statt.

In der bereits im vorangegangenen Abschnitt vorgestellten Studie (Bonnet 2004) wurde ein Modell chemischer Kompetenz mit vier Dimensionen verwendet (Bonnet 2004b), das auf sowohl quantitativen (Todtenhaupt 1995) als auch qualitativen Vorläufermodellen (u.a. Spörlein 2003) zum entsprechenden fachlichen Gegenstandsbereich aufbaut. Die zentrale sogenannte „konzeptuale Dimension“ besteht aus drei Kategorien mit jeweils vier Niveaustufen. Anhand einer dieser Kategorien- der Kategorie „Teilchen“, deren Niveaustufen aus der Tabelle entnommen werden können, soll exemplarisch die Subsumtion des Orientierungsrahmens gezeigt werden.

Tabelle 2: Der Ausschnitt „Teilchenkonzept“ aus dem verwendeten Modell zur Erfassung chemischer Kompetenz

Niveaustufe 1 Keine Teilchen: Dinge werden als Kontinuum betrachtet.
Niveaustufe 2 Stücken (Scherben): Teilchen sind Bruchstücke des Materials und haben dessen Eigenschaften. Es ist kein Raum zwischen den Teilchen
Niveaustufe 3 Zutaten:Teilchen sind Zutaten eines Stoffes und können beliebig gruppiert werden. Sie haben keine Bindungen. Sie sind nicht identisch mit dem makroskopischen Stoff. Sie haben keine Ladungen.
Niveaustufe 4 Teilchen bestehen aus noch kleineren Teilchen: Es gibt verschiedene Typen von Teilchen, wie z.B. Ionen, Moleküle oder Atome. Teilchen können geladen sein und besitzen Elektronen.

Die Rekonstruktion des Orientierungsrahmens zeigt, dass die Gruppe zwischen den Niveaustufen 3 und 4 pendelt. Die obige Rekonstruktion weist nach, dass die Gruppe immer wieder Anläufe nimmt, das für Niveaustufe 4 zentrale Konzept der Ladung in ihren Orientierungsrahmen zu integrieren. Die Rekonstruktion zeigt ebenfalls, wie diese Versuche nicht gelingen, und in den Focussierungsmetaphern ein fachlicher Orientierungsrahmen entsteht, der eine auf Niveaustufe 3 konsistente aber auf Niveaustufe 4 widersprüchliche Konzeptualisierung enthält. Besonders interessant ist, wie die Gruppe mit der Metapher „Plating“ einen fachlichen Terminus verwendet und in ihrem Sinne konzeptualisiert. Die Stärke der dokumentarischen Methode wiederum liegt darin, diese verschiedenen Sinnebenen explizit zu machen, denn das Spannungsverhältnis besteht zwischen dem von der Gruppe hervorgebrachten Dokumentsinn und dem immanenten bzw. objektiven Sinn des Begriffs.

Fußnoten

1) Wie bereits oben dargelegt kann dieser zweifache Fokus noch dadurch betont werden, dass die in der Analyse verwendete und in der Unterrichtsforschung übliche Trennung von Aufgabenstruktur (ATS) und Partizipationsstruktur (SPS) auch in den Analysen und der abschließenden Diskursbeschreibung explizit verwendet wird

2) Für eine ausführliche Diskussion der Problemstellung, sowie eine Musterlösung und das englischsprachige Arbeitsmaterial für die Schülerinnen und Schüler vgl. Bonnet (2004, S. 166ff.).

3) Um den Lernenden einen Einstieg zu ermöglichen und auch, um ihre fremdsprachliche Beschreibung eines Phänomens aufnehmen zu können, wird im ersten Teil der Aufgabe zunächst eine Aktivität vorgeschlagen: Sie werden gebeten, etwas Schwefelsäure in ein Reagenzglas zu füllen, einige Spatelspitzen der unbekannten Substanz, Elixier genannt, hinzuzugeben und schließlich einen Eisennagel hineinzustellen. Außerdem werden sie aufgefordert, die sich ereignenden Geschehnisse zu beobachten und zu beschreiben.

4) Obwohl also der thematische Rahmen vorgegeben ist, können die Lernenden in diesem Rahmen ihre individuellen Zugänge zum Thema verwirklichen. Man könnte daher davon sprechen, dass die experimentelle Gruppendiskussion individuelle fachliche Relevanzsetzungen

Mit freundlicher Genehmigung des Budrich Verlages.
http://www.budrich-journals.de/index.php/zqf/article/view/4545

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