Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

1. Symbolbilder (1)

Die Symbolbilder, welche die Klassenlehrerin benutzt, zeigen immer eine Handlung  oder Forderung, welche die Kinder erfüllen müssen (2). Die Klassenlehrerin hält diese hoch oder heftet sie mit Hilfe eines Magneten an die Tafel, woraufhin die Kinder meist sofort reagieren. Die Lehrerin erspart sich auf diese Weise Worte. Die Bilder werden oft durch die Triangel angekündigt, manchmal  aber  auch  durch einen kleinen sprachlichen Impuls  der  Lehrerin. Zum  Teil ist es so, dass die  Kinder die  Bilder  von selbst bemerken und befolgen. In meiner Beobachtungszeit wurden insgesamt sechs Symbolbilder eingeführt.

Stehkreis

Dieses Bild bedeutet für die Schüler, sich vor der Tafel aufzustellen. Da aufgrund der räumlichen Situation in der Klasse ein Stuhlkreis mit allen Kindern nicht möglich ist, benutzt die Klassenlehrerin dieses Bild oft, um die Kinder in den Sitzkreis auf den Boden zu holen.

Stuhlkreis

Bei diesem Bild sollen die Kinder in den Stuhlkreis kommen. Dieses Bild wird jedoch fast nie benutzt (→Stehkreis). Auch wenn nur ein Teil der Kinder nach vorne kommen soll, benutzt die Klassenlehrerin das Stehkreis-Bild. Auf diese Weise vermeidet sie zudem den Zeitaufwand, der durch das Herumtragen der Stühle entsteht.

Aufstellen

Meist wird dieses Bild eingesetzt, wenn die Kinder Sport haben und sie gemeinsam zur Turnhalle gehen oder die Lehrerin die Kinder in eine Zappelpause (3) schickt. Die Kinder sollen sich daraufhin in Zweierreihen aufstellen.

Flüsterschild

Das Flüsterschild zeigt den Kindern an, dass sie sich nur leise unterhalten dürfen. Die Klassenlehrerin hängt es ab und zu in der Frühstückspause auf, wenn sie findet, dass Kinder zu laut sind oder ein Kind zu ihr kommt, weil es ihm zu laut ist.

Melden und Zuhören

Diese beiden Bilder hängen dauerhaft an der Tafel. Sie erinnern vor allem die Erstklässler an die beiden Klassenregeln, die für sie schon gelten. Die Klassenlehrerin zeigt teils stumm auf eines der beiden Bilder oder nimmt eines ab, um die Kinder besonders darauf aufmerksam zu machen, wenn sich diese nicht an die beiden Regeln halten. Ebenso kommt es vor, dass Kinder die Gesten von den Bildern nachahmen, wenn dies angebracht erscheint.

1.1 Einführung

Die Einführung der einzelnen Bilder erfolgt, wie im folgenden Beispiel, meist in einem Sitzkreis und zum Teil situationsbedingt. Die Kinder dürfen zunächst vermuten, was die Bilder bedeuten. Dies wird dann von der Klassenlehrerin noch einmal zusammenfassend wiederholt.

Sie holt Flopp hervor. Dieser begrüßt die Kinder zunächst und beschwert sich dann darüber, dass es ihm heute viel zu laut war. Er hat deswegen, so sagt er, ein neues Regelbild mitgebracht. Auf dem Bild ist ein Kind zu sehen, welches seine Hände hinter die Ohren hält, um sie zu spitzen und den Mund geschlossen hat. Die Kinder sollen überlegen, was dieses Bild bedeutet. Sie melden sich und nennen mögliche Bedeutungen des Bildes. Sie erkennen sehr schnell, dass sie, wenn dieses Bild aufgehängt wird, nicht reden und gut zuhören sollen. Frau J. wiederholt dies noch einmal und zeigt den Kindern auch noch einmal das Symbolbild, auf dem ein Kind sich meldet und wiederholt mit den Kindern dessen Bedeutung.

Meist werden die Symbolbilder für die Erst- und die Zweitklässler getrennt erklärt. Den Zweitklässlern sind schon Bilder aus dem letzten Schuljahr bekannt. So zum Beispiel das Flüsterschild, das während einer Frühstückspause in den ersten Schultagen für die Erstklässler eingeführt wird.

Brian sagt Frau J., dass es ihm zu laut sei und sie das „Flüsterschild“ aufhängen solle. Frau J. macht dies und erklärt den Erstklässlern, dass sie, wenn dieses Schild an der Tafel hängt, nur flüstern dürfen. Die meisten Kinder halten sich an das Schild. Kinder, die etwas lauter werden, werden von den anderen Kindern erinnert, leise zu sein.

1.2 Entwicklung und Akzeptanz

Die Schilder werden unterschiedlich gut befolgt. Dies hängt zum Teil wohl damit zusammen, ob sie ein Unterlassen über eine längere Zeitspanne oder das Ausführen einer Handlung einfordern. Es war oft so, dass die Kinder unmittelbar, nachdem die Lehrerin das Flüsterschild aufgehängt oder auf das Melde-Bild gezeigt hat, leise waren bzw. sich gemeldet haben, dies aber nach kurzer Zeit wieder vergessen haben.

Andererseits reagieren die Kinder beim Stehkreis-Bild oder beim Aufstell-Bild, meist in der gleichen Sekunde, in der die Lehrerin es aufhängt.

Frau J. erklärt ihnen, dass der Stift bedeutet, dass sie etwas schreiben. Dann hängt sie das Symbol zum Aufstellen an die Tafel. Die Kinder kommen schnell mit ihren Turnsachen zur Tür und stellen sich auf, es dauert aber eine Weile, bis sie ordentlich stehen, einigermaßen leise sind und sie zur Turnhalle gehen können.

2. Folgerungen

Der  Schulalltag  in  der Froschklasse wird vor  allem  durch  Rituale  und ritualisierte  Handlungen gestaltet.  Den  täglichen Unterrichtsverlauf beeinflussen besonders die ritualisierten Handlungen. Regeln spielen in ihrer reinen Form keine große Rolle. Sie werden meist mit Hilfe von ritualisierten Handlungen umgesetzt und so bei ihrer Einhaltung unterstützt, wie zum Beispiel die Klassenregeln mit Hilfe der Ampel durchgesetzt werden.

In der  Froschklasse gibt es hauptsächlich Rituale und ritualisierte Handlungen, die bewusst durch die Lehrerin eingeführt wurden bzw. die ganze Schule betreffen, wie die Einschulungsfeier und der Offene Anfang. Eine Ausnahme ist das Stillezeichen, dass durch die Kinder von der vorherigen Klassenlehrerin weiter getragen wurde. Es gibt ansonsten keine Rituale oder ritualisierte Handlungen, die durch die Kinder initiiert wurden.

Die Rituale, die sich in der Eingangsklasse finden, dienen vor allem der Förderung des Gemeinschaftsgefühls und zur Integration in die Gruppe, geben den einzelnen Kindern aber auch Möglichkeiten sich auszudrücken, wie beim Erzählkreis am Montag. Die  ritualisierten Handlungen der Klasse, die eine entscheidende Rolle spielen, bieten den Kindern vor allem Struktur und Orientierung, wie sich am Beispiel des Tagesplans zeigt. Ebenso hilft die Ampel den Kindern dabei, sich zu orientieren,  ob das gezeigte  Verhalten angemessen war. Oft dienen die ritualisierten Handlungen als Arbeitserleichterung und zur Minimierung des Sprechanteils der Lehrerin, wie bei der Triangel und den Symbolkarten.

Die Vorteile die sich aus dem jahrgangsübergreifenden Unterricht ergeben können, wie Mayer dies beschreibt (Mayer 1994, S.227), sind in der Froschklasse kaum genutzt. Die Lehrerin übernimmt die Einführung der Rituale und lässt dies nicht über die Nachahmung der Zweitklässler geschehen. Hierfür liegen unter anderem zwei Probleme zugrunde. Zum Ersten haben die Erstklässler in den ersten Wochen einen unterschiedlichen Schulbeginn und zu einer anderen Zeit Schulschluss, als die Zweitklässler. So erleben sie, zumindest in den ersten Wochen, in der Klasse wichtige Rituale getrennt von den Zweitklässlern und es wäre schwierig diese dennoch mit der ganzen Klasse durchzuführen. Zum Zweiten  ist die Größe der Klasse für  jahrgangsübergreifenden Unterricht problematisch. Schwarz sieht die Grenze, bei der jahrgangsübergreifender Unterricht Vorteile bringt, bei zwanzig Kindern in einer Klasse (Schwarz 1994, S.77). Die Froschklasse jedoch hat 31 Kinder und zudem keine zweite Pädagogin, die diesen Umstand eventuell ausgleichen könnte.

Veränderungen, die von den Kindern vorgeschlagen werden, wie zum Beispiel  die  angepasste  Zeile des  Abschiedsspruchs,  werden nicht  immer angenommen. Dies liegt zum Teil daran, dass die Vorschläge der Kinder im Trubel des Schultages untergehen. Wichtige Veränderungen, wie eben die des Abschiedsspruches, werden von der Lehrerin angenommen.

Fußnoten:

(1) Die Rechte an den Fotografien unterliegen dem Urheberrecht der Autorin.

(2) Beobachtet wurde drei Wochen in der Eingangsklasse E b. Zudem wurde ein Interview mit der Klassenlehrerin geführt. Die Eingangsklasse E b, die Froschklasse, bestand am ersten Tag nach den Sommerferien aus neun Mädchen und fünf Jungen, die bereits im letzten Schuljahr diese Klasse besucht haben. Zusammen mit den Erstklässlern sind in der Klasse 16 Mädchen und 15 Jungen. Drei Kinder gehen regelmäßig in eine Gruppe für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, welche die Schule für Kinder mit sehr geringen Deutschkenntnissen ab der zweiten Klasse anbietet.

(3) Die Zappelpause  findet in unregelmäßigen Zeitabständen statt. Die Klassenlehrerin   setzt  sie  immer  dann  ein,   wenn  die  Kinder  sich  nicht  mehr konzentrieren können oder sie nach mehreren Versuchen immer wieder laut und unruhig werden. Die Klassenlehrerin hängt in diesem Fall das Aufstell-Bild an die Tafel und teilt den Kindern mit, dass nun Zappelpause sei. Die Kinder dürfen, je nach Ermessen der Lehrerin, circa zehn Minuten auf dem Schulhof spielen. Während der Zappelpause gilt, dass die Kinder nur dort auf dem Hof spielen dürfen, wo sie die Klassenlehrerin sehen können. Am Ende der Zappelpause hebt die Lehrerin die Hand und die Kinder müssen sich aufstellen.

Literaturangaben:

Mayer, Werner G. (1994): „Riten, Regeln, Rituale“. In: Kohls, Eckhard (Hrsg.): Grundbegriffe zur Erziehung, zum Lernen und Lehren in der Grundschule. Heinsberg: Agentur Dieck, S. 226-240.

Schwarz, Hermann (1994): Lebens- und Lernort Grundschule. Prinzipien und Formen der Grundschularbeit, Praxisbeispiele, Weiterentwicklungen. Frankfurt am Main: Cornelsen Scriptor (=Lehrer-Bücherei: Grundschule).

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