Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

1. Flopp der Frosch (1)

Flopp ist das Klassentier der Eingangsklasse. Er wurde zu Beginn des Schuljahrs in die Klasse eingeführt. Seit dem nennt die Eingangsklasse sich Froschklasse. Die Handpuppe wird von der Klassenlehrerin gesprochen. Flopp das Klassentier wird auf verschiedene Weise in der Klasse eingesetzt. Zum Beispiel darf jedes Wochenende ein anderes Kind der zweiten Klasse Flopp mit zu sich nach Hause nehmen. Es soll im Wochenendbuch festhalten, was Flopp mit ihm erlebt hat. Flopp dient außerdem dazu, den Kindern einen Anreiz zu geben, während einer Stillarbeitsphase leise zu arbeiten.

1.1 Das Klassenmaskottchen

Flopp ist der neue Namensgeber der Klasse. Sie heißt erst seit diesem Schuljahr Froschklasse. Die Lehrerin hat verschiedene Elemente der Klasse neu darauf abgestimmt. So hängt ein gezeichneter Flopp außen an der Eingangstür der Klasse und von der anderen Seite ein Seerosenteich, auf dem später die Bilder aller Kinder „schwimmen“ sollen. Zusätzlich hat jedes Kind eine eigene Kiste, auf der vorne ein Froschschild mit dem Namen des Kindes steht. Dort können Malsachen und Materialien untergebracht werden, die nur in der Schule benötigt werden. Außerdem sollen die Kinder auf Flopp achtgeben und sich um ihn kümmern. Durch das Klassentier bekommen die Kinder eine gemeinsame Identität als Froschklasse.

1.2 Einführung

Den Zweitklässlern wurde Flopp direkt am ersten Tag nach den Sommerferien vorgestellt und ihnen erklärt, weswegen er in der Klasse ist. Die Erstklässler lernen Flopp einen Tag später, in ihrer ersten Schulstunde kennen.

1.3 Entwicklung und Akzeptanz

Die Zweitklässler waren zunächst skeptisch und zeigten zum Teil, dass sie sich zu alt für ein Klassentier fühlen. Sie waren aber andererseits begeistert von ihrem neuen Klassentier.

Nun setzen sich die Kinder wieder auf ihre Stühle und Frau J. stellt den Kindern das neue Klassentier, den Frosch „Flopp“ vor. Der Frosch  fragt  einige  Kinder  nach  ihrem  Namen und  lässt sich streicheln. Er sagt: „Ich habe von meinen Freunden gehört, dass ihr die Klasse seid, die ganz toll auf Frösche aufpassen kann, ist das wahr?“ Die Kinder bestätigen dies inbrünstig, Frau J. erklärt den Kindern, dass Flopp am Wochenende nicht alleine in der Schule bleiben möchte und jedes Wochenende zu einem anderen Kind nach Hause kommt. Alles was Flopp bei den Kindern erlebt, sollen diese in ein Tagebuch schreiben und dann nach dem Wochenende den anderen Kindern vorlesen. Ein Mädchen meint zwar: „Das ist doch bloß ein Stofftier“, die Kinder sind aber dennoch begeistert von ihrem neuen Klassentier. Frau J. erklärt ihnen, dass sie von nun an die Froschklasse sind.

Die Kinder bezeichnen sich selbst aber nicht als Froschklasse, auch die Lehrerin greift dies in den folgenden Wochen nicht direkt auf. So ist die Bezeichnung der Klasse als E b noch gebräuchlicher. Dies könnte sich aber mit der Zeit ändern, wenn das Klassentier nicht erst seit drei Wochen Bestandteil der Klasse ist und der Klassenname Zeit hatte sich zu etablieren.

2. Flopp kommt an die Tische

Die Klassenlehrerin kündigt oft zu Beginn einer Arbeitsphase an, dass Flopp sich zu den Kindern setzen wird, die am leisesten arbeiten. Während einer Arbeitsphase wechselt Flopp manchmal seinen Platz. Die Kinder, die Flopp an ihrem Platz haben freuen sich meist, sind aber dadurch oft kurz abgelenkt. Auf diese Weise werden jedoch alle Schüler motiviert, möglichst leise zu arbeiten.

2.1 Einführung

Dies wurde nicht durch eine explizite Erklärung der Klassenlehrerin eingeführt. Sie hat die Kinder nur darauf hingewiesen, dass Flopp an die Tische geht, an denen es besonders leise ist.

2.2 Entwicklung und Akzeptanz

Die Kinder freuen sich, wenn Flopp an ihren Tisch kommt, und bemühen sich möglichst leise zu sein, wenn Frau J. dies ankündigt.

Alle Kinder beginnen zu arbeiten, viele reden aber noch. Frau J. meint: „Flopp kommt an den leisesten Tisch!“ Sofort sind alle Kinder leise. Sie bleiben zwar nicht lange so still, gehen aber zu leisem Gemurmel über.

3. Der kleine Flopp

Jedes  Wochenende  darf  eines  der  Kinder  Flopp mit zu sich nach Hause nehmen. Alles was Flopp dort erlebt sollen die Kinder im Wochenendbuch (2) festhalten. Da das Stofftier Flopp zu groß ist, um ihn in eine Schultasche zupacken, wird er jeden Freitag von der Klassenlehrerin „klein gezaubert“ (bzw. von der Lehrerin gegen eine kleine Version des Kuscheltiers ausgetauscht) und bekommt montags wieder seine ursprüngliche Größe.

Die Kinder bekommen auf diese Weise eine wichtige Rolle und stehen zudem kurzzeitig allein im Mittelpunkt, sie bekommen das Gefühl wichtig zu sein.

3.1 Einführung

Dies wurde den Kindern der zweiten Klasse am ersten Freitag nach den Ferien erklärt. Die Erstklässler haben es noch nicht mitbekommen, da sie weder am Freitag noch am Montag anwesend sind, wenn die Zweitklässler den kleinen Flopp mitnehmen oder wieder zurückbringen.

3.2 Entwicklung und Akzeptanz

Die Zweitklässler waren zunächst sehr skeptisch, als die Klassenlehrerin ihnen den kleinen Flopp zeigte.

Sie holt eine kleine Version von Flopp dem Frosch hervor. Die Kinder reagieren ungläubig, als Frau J. ihnen weis machen will, dass dies Flopp ist, der sich nur „klein gezaubert“ hat, sondern denken zunächst, dass Frau J. den großen Flopp irgendwo versteckt hat. Sie lassen sich aber schließlich von Frau J. überzeugen. Sie erzählt den Kindern, dass Flopp jetzt jedes Wochenende klein wird, damit er mit den Kindern nach Hause kann. Die Kinder staunen, scheinen es ihr aber nun ab zunehmen.

Ich  nehme  an, dass es auch hier Unterschiede zwischen den Kindern gibt. Einige glauben es vielleicht wirklich, andere wissen eventuell nicht genau was sie davon halten sollen, ähnlich wie bei Weihnachtsmann und Osterhase. In jedem Fall wollen alle Kinder Flopp gerne mit zu sich nach Hause nehmen.

4. Folgerungen

Der  Schulalltag  in  der Froschklasse wird vor  allem  durch  Rituale  und ritualisierte  Handlungen gestaltet.  Den  täglichen Unterrichtsverlauf beeinflussen besonders die ritualisierten Handlungen. Regeln spielen in ihrer reinen Form keine große Rolle. Sie werden meist mit Hilfe von ritualisierten Handlungen umgesetzt und so bei ihrer Einhaltung unterstützt, wie zum Beispiel die Klassenregeln mit Hilfe der Ampel durchgesetzt werden.

In der  Froschklasse gibt es hauptsächlich Rituale und ritualisierte Handlungen, die bewusst durch die Lehrerin eingeführt wurden bzw. die ganze Schule betreffen, wie die Einschulungsfeier und der Offene Anfang. Eine Ausnahme ist das Stillezeichen, dass durch die Kinder von der vorherigen Klassenlehrerin weiter getragen wurde. Es gibt ansonsten keine Rituale oder ritualisierte Handlungen, die durch die Kinder initiiert wurden.

Die Rituale, die sich in der Eingangsklasse finden, dienen vor allem der Förderung des Gemeinschaftsgefühls und zur Integration in die Gruppe, geben den einzelnen Kindern aber auch Möglichkeiten sich auszudrücken, wie beim Erzählkreis am Montag. Die  ritualisierten Handlungen der Klasse, die eine entscheidende Rolle spielen, bieten den Kindern vor allem Struktur und Orientierung, wie sich am Beispiel des Tagesplans zeigt. Ebenso hilft die Ampel den Kindern dabei, sich zu orientieren,  ob das gezeigte  Verhalten angemessen war. Oft dienen die ritualisierten Handlungen als Arbeitserleichterung und zur Minimierung des Sprechanteils der Lehrerin, wie bei der Triangel und den Symbolkarten.

Die Vorteile die sich aus dem jahrgangsübergreifenden Unterricht ergeben können, wie Mayer dies beschreibt (Mayer 1994, S.227), sind in der Froschklasse kaum genutzt. Die Lehrerin übernimmt die Einführung der Rituale und lässt dies nicht über die Nachahmung der Zweitklässler geschehen. Hierfür liegen unter anderem zwei Probleme zugrunde. Zum Ersten haben die Erstklässler in den ersten Wochen einen unterschiedlichen Schulbeginn und zu einer anderen Zeit Schulschluss, als die Zweitklässler. So erleben sie, zumindest in den ersten Wochen, in der Klasse wichtige Rituale getrennt von den Zweitklässlern und es wäre schwierig diese dennoch mit der ganzen Klasse durchzuführen. Zum Zweiten  ist die Größe der Klasse für  jahrgangsübergreifenden Unterricht problematisch. Schwarz sieht die Grenze, bei der jahrgangsübergreifender Unterricht Vorteile bringt, bei zwanzig Kindern in einer Klasse (Schwarz 1994, S.77). Die Froschklasse jedoch hat 31 Kinder und zudem keine zweite Pädagogin, die diesen Umstand eventuell ausgleichen könnte.

Veränderungen, die von den Kindern vorgeschlagen werden, wie zum Beispiel  die  angepasste  Zeile des  Abschiedsspruchs,  werden nicht  immer angenommen. Dies liegt zum Teil daran, dass die Vorschläge der Kinder im Trubel des Schultages untergehen. Wichtige Veränderungen, wie eben die des Abschiedsspruches, werden von der Lehrerin angenommen.

Fußnoten:

(1) Beobachtet wurde drei Wochen in der Eingangsklasse E b. Zudem wurde ein Interview mit der Klassenlehrerin geführt. Die Eingangsklasse E b, die Froschklasse, bestand am ersten Tag nach den Sommerferien aus neun Mädchen und fünf Jungen, die bereits im letzten Schuljahr diese Klasse besucht haben. Zusammen mit den Erstklässlern sind in der Klasse 16 Mädchen und 15 Jungen. Drei Kinder gehen regelmäßig in eine Gruppe für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, welche die Schule für Kinder mit sehr geringen Deutschkenntnissen ab der zweiten Klasse anbietet.

(2) Das Wochenendbuch ist auch für die Zweitklässler neu. Die Klassenlehrerin führt es am Ende der ersten Schulwoche ein.

Im  Anschluss  erklärt Frau J. den Kindern, dass nun jedes Wochenende ein anderes Kind Flopp mit nach Hause nehmen darf. Das Kind muss dann alles, was es mit Flopp erlebt hat, in ein Buch schreiben. Die Kinder sind aufgeregt und jeder will der erste sein, der Flopp mit nach Hause nehmen darf. Frau J. zeigt ihnen das Tagebuch und erklärt, dass es Wochenendbuch heißt. Sie fragt die Kinder, warum das Buch nicht Tagebuch heißt. Die Kinder kommen schnell darauf, dass der Name daher kommt, dass nur am Wochenende dort hinein geschrieben wird.

Literatur:

Mayer, Werner G. (1994): „Riten, Regeln, Rituale“. In: Kohls, Eckhard (Hrsg.): Grundbegriffe zur Erziehung, zum Lernen und Lehren in der Grundschule. Heinsberg: Agentur Dieck, S. 226-240.

Schwarz, Hermann (1994): Lebens- und Lernort Grundschule. Prinzipien und Formen der Grundschularbeit, Praxisbeispiele, Weiterentwicklungen. Frankfurt am Main: Cornelsen Scriptor (=Lehrer-Bücherei: Grundschule).

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