Falldarstellung

Die folgende transkribierte Sequenz ist ein Ausschnitt aus einem Unterrichtsgespräch, das in einer Sachunterrichtsstunde in einem ersten Schuljahr erhoben wurde. Den Inhalt und die Zielsetzung der Unterrichtseinheit legte die Lehrerin selbst fest. Als Begründung für das Thema gab sie im Interview an: „Ist ein ganz banaler Grund. Die Kinder bekamen zur Einschulung von der Volksbank diese Unterlagen, also die Welt aufgeklappt. Dann krümmeln sie da auf ihrer Weltkarte rum und suchen das und finden das und fragen was. Und diskutieren manchmal ganz heiß, streiten sich manchmal, was wo liegt, also es finden sehr viele Gespräche anhand dieser Weltkartenunterlagen statt“. Das Thema der Unterrichtsstunde benannte sie folgendermaßen: „Der Globus als Darstellung der Erde“. Da in dieser Stunde nicht nur die Weltkarte, sondern vielmehr der Globus im Zentrum stand, kann die Unterrichtsphase nach Ansicht der Lehrerin als „Lernen neuer Inhalte“ gekennzeichnet werden und die Aktivitäten während des Klassengespräches als „Einführung“ in eine neue Thematik (vgl. Seidel 2003).
Der folgende Auszug aus dem Unterrichtsgespräch beginnt, nachdem einige Schüler/innen auf Aufforderung der Lehrerin einzelne Erdteile benannten und diese auf dem Globus, der in der Mitte des Gesprächskreises stand, zeigten. Es wurden bislang Afrika, Europa und Amerika gezeigt.

Lehrerin:  Sarath, könntest du uns mal sagen, aus welchem Erdteil deine El­tern und deine Großeltern kommen? Weißt du das?
Sarath: Nein. (Er antwortet leise, schaut die Lehrerin fragend an.) Lasse:   Ähm, sag mir mal dein Land. (zu Sarath)
Lehrerin: Dein, sein Land, das weiß er ja.
Lasse: Wie das heißt? (zu Sarath)
Lehrerin: Und der Erdteil, in dem Sri Lanka liegt, der heißt so. (Die Lehrerin hält ein Schild hoch auf dem Asien steht, zeigt es der Klasse. Ungefähr die Hälfte der Klasse meldet sich.)
Lehrerin: Anna! Anna: Asien.
Lehrerin: As-ien.
Dirk: Ich weiß noch da drüber was.
Lehrerin: Weißt du es jetzt wieder? (zu Sarath)
Sarath: Hmm. (zustimmend)
Dirk: Ich weiß noch da drüber was. Ist der kleinste Kontinent der Welt.
Lehrerin:  Mensch, was du nicht alles weißt. Da staun ich ja. (Die Lehrerin steht
auf und geht zum Globus.) Asien, das ist jetzt ganz schwer zu fin­den. Auf dieser Seite hatten wir jetzt Amerika. Und wenn wir jetzt hier oben rüber wandern. Hier. Tom auch deine Oma und deine Verwandten die kommen auch aus Asien. Und Saraths Verwandte genauso. Das alles hier ist Asien.

Im weiteren Verlauf des Gespräches wird Australien benannt. Anschließend zeigt die Lehrerin die fünf Kontinente noch einmal und auch noch die Antarktis.

Lehrerin: So, jetzt hab ich euch ganz viel gesagt. Jetzt kommt ihr dran. Wir haben diese sechs Erdteile oder Kontinente: Australien, Asien, Afrika, Antarktis, Amerika, Europa. Und jetzt weiß ich ganz genau, dass jeder von euch über irgendeinen Erdteil auch etwas weiß. Mehr als den Namen. (Lasse meldet sich.) Wer möchte denn sich jetzt einfach einen Erdteil ho­len? Vielleicht noch mal zeigen, (Anna und Melanie melden sich) wo der ist auf dem Globus. Lars lässt du das mal (kratzt sich am Kopf). Und vielleicht noch viel mehr erzählen. Vielleicht wisst ihr auch, was da für Tiere leben (Dirk meldet sich) oder ob die Menschen dort anders aussehen als wir. Oder ob’s da warm oder kalt ist. Oder ob du da die heißeste Wüste findest, könnte ja sein.

In den folgenden Minuten erzählen einige Schüler, nachdem sie sich einen Zettel mit dem Namen eines Erdteils aus der Kreismitte geholt und den Erdteil auf dem Globus gezeigt haben, über ein Tier, das sie mit ihrem Erdteil verbinden.

Lehrerin: Mich würde ja jetzt noch mal eins interessieren. Lasse warte noch mal. Ihr habt jetzt etwas erzählt über Tiere, die es dort gibt in den einzel­nen Erdteilen, könnt ihr mir denn auch mal sagen, wie z.B. die Menschen (.) Tiere habt ihr ganz viel erzählt. Wie die Menschen in Afrika aussehen? (Einige Kinder melden sich.) Anna!
Anna: Schwarz.
Lehrerin: Hm. (zustimmend) Bei uns im heißen Afrika haben wir gesungen. Nicht. Wer traut sich denn noch mal, Afrika auf dem Globus zu zeigen? (Robert, Phillip, Tom und Sarath melden sich.) Robert!
Robert: (geht zum Globus): Hier!
Lehrerin: Richtig, die dicke Weintraube. Die is es, ja. Und wer kann mir mal sagen, wie die Menschen in Asien aussehen? Die sehen da auch anders aus als wir. (Viele Kinder melden sich. Phillip steht auf und meldet sich.) Phillip (sagt ungefragt zu den anderen): Die haben was ganz komisches. Lehrerin: Kevin!
Kevin: Braun, bräunlich.
Lehrerin: Braun wie Sarath, ja, der kommt aus Asien. Lars lässt du das mal. Phillip!
Phillip: Die haben einen Punkt hier oben. Jaa. Warum ( )?
Lars (meldet sich): Ich weiß auch warum!
Lehrerin: Ach, das erzählt uns vielleicht Saraths Mutter ein anderes Mal, ne.
Lars: Ich will (.) ich weiß (kommt nicht zu Wort).
Phillip: Ich dachte, du weißt das.
Lehrerin: Ich glaube, das auch zu wissen, aber da fragen wir mal Saraths Mutter.
Lars: Ich weiß es, Sarath hat es mir mal gesagt.
Lehrerin: Ja, jetzt wollen wir aber (die Stimme hebend)
Lars: Wenn man verheiratet ist.
Lehrerin: Okay, alles klar. Es gibt aber nicht nur Menschen, die aussehen wie Sarath in Asien. (Die Lehrerin deutet auf Sarath.) Es gibt auch ganz viele Menschen dort, die leben in Japan und China. Die sehen noch anders aus. Über die haben wir auch etwas gesungen. (Mehrere Kinder melden sich. Adrian, der neben Tom sitzt, , deutet“ Schlitzaugen „ an.) Dirk!
Mehrere Kinder: In China.
Dirk: Ich weiß, in China haben sie so’ne Schlitzaugen. (Dabei deutet er Schlitzaugen an, Kevin tut es ihm nach.)
Lehrerin: Genau, richtig, ja.

Im Anschluss wird über Amerika gesprochen, bis Lars eine Zwischenfrage stellt.

Lehrerin: Lars!
Lars: Ich hab ne Frage: Warum haben die Chinesen Schlitzaugen?
Lehrerin: Das weiß ich nicht, da- das hat der liebe Gott wahrscheinlich so gemacht. Warum da nun die Menschen gerade Schlitzaugen haben, kann ich dir nicht beantworten.

Das Gespräch wird im weiteren Verlauf wieder über Amerika geführt. Die Schüler und Schülerinnen erzählen etwas über Indianer, dem Unterrichtsthema, das in den Wochen zuvor behandelt wurde. Phillip erzählt anschließend eine Geschichte, in der er berichtet, was sein Großvater in Australien erlebte.

Interpretation

Die erste Analyse des Gespräches, die dieses vor allem aus lernpsychologischer Sicht betrachtet, bestätigt Ergebnisse bisheriger Forschungen zu Unterrichtsgesprächen. Auch in diesem kurzen Ausschnitt hat die Lehrerin einen hohen Redeanteil im Gesprächsverlauf. Betrachtet man die „aktive und inhaltsbezogene Beteiligung der Lernenden am Klassengespräch“, dann kann zunächst die „Art und Summe der Äußerungen“ näher betrachtet werden (vgl. Seidel 2003). Es zeigt sich, dass rund ein Drittel der Gruppe in dieser Unterrichtssequenz direkt am Gespräch beteiligt ist. Es sind vor allem drei Kinder, Dirk, Lasse und Lars, die das Gespräch dominieren. Die Äußerungen aller Schülerinnen und Schüler sind kürzer als die Beiträge der Lehrerin und sind zumeist Reaktionen auf ihre Äußerungen. Allerdings können in dieser kurzen Sequenz auch „elaborierende Äußerungen“ von Schülern ausgemacht werden: (Einbringen von Vorwissen: „Ich weiß noch da drüber was.“ und Aufwerfen von Fragen: „Warum haben die Chinesen Schlitzaugen?“). Im Wesentlichen sind die Lehrer-Schüler-Interaktionen allerdings durch die typischen Sprachmuster für Unterrichtsgespräche, durch häufige I-R-E-Sequenzen, geprägt. D.h., die Fragen gehen vor allem von der Lehrerin aus, die Schülerinnen und Schüler reagieren und die Lehrerin kommentiert bzw. leitet zur nächsten Frage über. Somit sind die Schülerinnen und Schüler hinsichtlich der Funktion der Äußerungen im Klassengespräch „Ergänzung zur Lehrperson“. Sie sind aber auch „Stichwortgeber“, wenn sie Fragen aufwerfen und damit einen weiteren Aspekt in das Gespräch einbringen. Neben der Kommunikationsstruktur sind auch die „unterstützenden Strukturen durch Anwendungsbezüge und Bespiele“, die in ein Gespräch eingebunden werden, zu untersuchen (vgl. Seidel 2003). Die Lernhilfen, die die Lehrerin einsetzt, wählte sie nicht spontan, sondern sie suchte diese zuvor aus. Außer dem Globus und den Wortkarten mit den Namen der Kontinente hat die Lehrerin für dieses Gespräch verschiedenfarbige Tücher mitgebracht. Mit den Tüchern sollten einige Schülerinnen und Schüler die Verteilung von Wasser und Land während des Kreisgespräches darstellen.
Nicht nur die Lernhilfen wurden vor dem Gespräch bereits ausgewählt. Da es sich nicht um ein Unterrichtsgespräch handelt, das ungeplant bzw. situativ im Unterrichtsverlauf entstand, kann angenommen werden, dass diesem insgesamt eine didaktisch-methodische Auseinandersetzung zugrunde liegt, die die „Choreographie“ des Gespräches beeinflusst. Jedes geplante Unterrichtsgespräch basiert auf einem Lehr-Lernskript, das teilweise aus der schriftlichen Vorbereitung der Lehrenden herausgearbeitet werden kann.
Beispielsweise legt die Lehrerin vor der Durchführung der Unterrichtseinheit folgende Ziele schriftlich fest:

  • „Die Kinder sollen erfahren, dass die Erde eine Kugel ist.
  • Sie sollen erfahren, dass es auf der Erde mehr Wasser als Land gibt.
  • Sie sollen die Namen der Erdteile kennen lernen.
  • Sie sollen den Erdteilen grobe Merkmale zuordnen können.“

Diese Zielsetzungen lassen den Bildungswert, den die Lehrerin dieser Sachunterrichtseinheit zuordnet, erkennen. Zu ihren Zielen erklärt sie selbst: „Das sind ja erstmal keine mmmm (überlegend) hochtrabenden Ziele, dass sie nun erkennen, die Erde ist eine Kugel. Dieses fand ich nun mal ganz stark, dieser zweite Kernsatz, dass es mehr Wasser gibt als Land, das kam ja schon ganz früh von einem Kind. Ich hatte gedacht, da müsste ich erst den Globus hundertmal drehen und immer wieder vielleicht auf die blaue Farbe hinweisen“. Deutlich wird, dass sie glaubt, ihr erstes Ziel beinhalte keine hohe Anforderung an die Schülerinnen und Schüler. Es ist bezeichnend, dass sie angibt, dass es für sie kein „hochtrabendes Ziel“ ist, wenn Schülerinnen und Schüler in diesem Alter erkennen, dass die Erde eine Kugel ist. Bezieht man fachdidaktische Forschungsergebnisse mit ein, dann wird deutlich, dass dies nur bedingt stimmt. Zum einen bestätigen die Untersuchungen von Sommer (2004) die Vermutungen der Lehrerin: „Ich könnte mich nicht erinnern, dass ich den Globus jemals so früh eingeführt habe. Aber ich wusste, dass die daran interessiert sind, weil die Kinder auch über solche Dinge immer mehr, viel mehr Vorwissen mitbringen.“ Grundschüler scheinen heute, so Sommer, eine „höher entwickelte Vorstellung von der Erde im Sonnensystem zu haben, als dies bislang in vergangenen Studien festgestellt werden konnte“ (S. 99). Sommer vermutet, dass dies an der „zunehmenden Menge von Informationen, die die Schüler schon in jungen Jahren in immer größerem Umfang erhalten“ liege (ebd.). Rund die Hälfte der Kinder, die Sommer befragte, besitzt bereits mit acht Jahren ein Weltbild, das „den wissenschaftlichen Vorstellungen in wesentlichen Zügen“ entspricht (S. 97). Die restlichen Kinder zeigten in ihren Antworten unterschiedliche Modellvorstellungen, die nur zum Teil konsistent waren.
Zudem zeigt sich in der schriftlichen Planung der Lehrerin, die sie für diese Unterrichtseinheit anfertigte, dass sie den Ablauf in insgesamt vier „Phasen“ unterteilte: „Einstieg, Hinführung, Erarbeitung und Festigung“. Es kann vermutet werden, dass hinter dieser Einteilung eine bestimmte Vorstellung über Lernprozesse steht, die im Ansatz dem Konzept der direkten Instruktion folgt, das im Gegensatz zum selbstgesteuerten Lernen zu sehen ist (vgl. Tulodziecki u.a. 2004). Dem Unterrichtsgespräch ordnet sie eine dominante Rolle im Lernprozess zu: Sowohl die Phasen Einstieg, Hinführung als auch Erarbeitung werden dem Gespräch, das zu Beginn der Unterrichtseinheit steht, zugeordnet. Somit soll in diesem Gespräch nicht nur eine erste „Einführung“ in einen neuen Lerninhalt vollzogen werden bzw. den Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit gegeben werden, ihr Vorwissen zu verbalisieren, vielmehr soll in diesem Gespräch bereits der Lerngegenstand im Sinne der zuvor formulierten Zielsetzungen vermittelt werden.
Die Wissensvermittlung durch ein Unterrichtsgespräch setzt sie im Sachunterricht bewusst ein. In einem leitfadengestützten Interview erklärte sie hierzu: „Ich denke immer, dass die Kinder, es ist vielleicht eine Illusion, aber ich hoffe, dass sie es von ihresgleichen vielleicht noch mehr aufnehmen, als wenn ich mich jetzt als Dozent hinstelle und erzähle da ganz toll was, was ich weiß.“
Auch bei der Themenwahl bezog die Lehrerin die Lernenden gedanklich mit ein. Allerdings zielen ihre unterrichtlichen Handlungen, dem Unterrichtskonzept der direkten Instruktion entsprechend, auf eine begrenzte Gruppe: „Manche Kinder überhaupt nicht, das haben Sie ja auch mitgekriegt, dass es manche nicht erreicht hat dieses Thema. Aber das sind Kinder, die erreicht kaum ein Thema. Also daran kann ich mich ja auch nicht messen.“
Nicht nur die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler am Klassengespräch ist aus fachdidaktischer Sicht in Bezug auf den Lerngegenstand zu hinterfragen (beispielsweise: Welches Vorwissen bringen die Schülerinnen und Schüler ein?). Auch die Kategorie „Umgang der Lehrperson mit Schülerbeiträgen“ kann nicht ohne Bezug zum Inhalt untersucht werden: Wie geht die Lehrerin mit Nichtwissen um (Beispiel: Sarath)? Wie geht sie mit Aussagen um, die falsch sind (Beispiel: Asien der „kleinste Kontinent der Welt“)? Wie reagiert sie auf Hinweise und Äußerungen, die ihrer Ansicht nach nicht zum Thema gehören (Beispiel: „Die haben einen Punkt hier oben“)? Wie geht sie mit Fragen um, die sie nicht beantworten kann (Beispiel: „Warum haben die Chinesen Schlitzaugen?“)?
Zudem wird bei der Betrachtung des Gespräches deutlich, dass den von der Lehrerin zuvor bestimmten fachlichen Zielsetzungen (,Sie sollen den Erdteilen grobe Merkmale zuordnen können“) eine große Bedeutung für das Gespräch zukommt: „Und ich hatte geglaubt, es käme etwas mehr, dass diesen einzelnen Erdteilen jetzt so grobe Merkmale zugeordnet wurden. Das klappte bei Australien, da kamen das Känguru und der Koalabär. Und Amerika hatte ich ja gedacht, da gehen alle Finger hoch, weil wir gerade Projekttage Indianer hatten, das war aber schon wieder verschüttet“. Es ist zu hinterfragen, warum sie möchte, dass die Schülerinnen und Schüler den Erdteilen „Merkmale“ zuordnen, die sie dann im Gespräch auf die beiden, „was dafür Tiere leben“ und „ob die Menschen dort anders aussehen als wir“ reduziert.
Es handelt sich bei diesem Gespräch, das zeigen die zu findenden „Merkmale“ deutlich, nicht nur um eine erdkundliche Einführung in die Darstellung der Welt. Die Unterrichtsstunde birgt eine weitere Thematik: Von der Lehrerin wird die Verschiedenheit von Menschen, insbesondere das äußere Erscheinungsbild, in Bezug zu einzelnen Erdteilen festgesetzt. Die Zuschreibungen, die die Lehrerin somit vornimmt, werden durch ihre sprachlichen Wendungen noch verstärkt („Braun wie Sarath, ja der kommt aus Asien“). Die Thematik wird an zwei Kindern personifiziert. Auch Tom wird von der Lehrerin direkt einbezogen („Tom auch deine Oma und deine Verwandten, die kommen auch aus Asien. Und Saraths Verwandte genauso“). Die abstrakte inhaltliche Ebene wird bewusst von der Lehrerin verlassen, als sie zwei Kinder der Gruppe als Beispiele für Anderssein benennt und diese damit zu „Merkmalsträgern“ eines Kontinentes macht („Die sehen da ja auch anders aus als wir“). Zudem wird die Zuweisung durch die Formulierung „die“ und „wir“ unterstrichen. Nicht beachtet wird von der Lehrerin in diesem Kontext, wie die Schüler Sarath und Tom sich selbst definieren, welchen bzw. ob sie überhaupt einen Bezug zu ihren Herkunftsländern haben.
Die Frage von Lars ist im Kontext des Lehrerhandelns zu verstehen („Warum haben die Chinesen Schlitzaugen?“). Er nimmt die Personifizierung der Lehrerin wieder auf, wenn er die von der Lehrerin eingeforderten „Merkmale“ hinterfragt, die sie an zwei Kindern der Klasse, u.a. an Tom, verdeutlichte. Mit seiner Frage weicht er somit nicht vom Thema ab, vielmehr bezieht er sich genau auf das, was von der Lehrerin vorgeben wurde, auf die vermeintlichen „Merkmale“. Es ist somit eine vertiefende Frage, eine Frage, die als eine „elaborierende“ Äußerung gewertet werden kann. Die Antwort der Lehrerin: „Das weiß ich nicht, da- das hat der liebe Gott wahrscheinlich so gemacht. Warum da nun die Menschen gerade Schlitzaugen haben, kann ich dir nicht beantworten.“ zeigt deutlich, dass sie die von ihr eingeforderten „Merkmale“ selbst nicht hinterfragt hat.

Literatur

Seidel, T. (2003): Lehr- und Lernskripts im Unterricht. Freiräume und Einschränkungen für kognitive und motivationale Prozesse beim Lernen – eine Videostudie im Physikunterricht. Münster.

Sommer, C. (2004): Wie Grundschüler sich die Erde im Weltall vorstellen – eine Untersuchung von Schülervorstellungen. In: R. Müller & R. Wodzinski & M. Hopf (Hrsg.): Schülervorstellungen in der Physik. Köln, S. 91-103.

Tulodziecki, G.; B. Herzig & S. Blömeke (2004): Gestaltung von Unterricht. Eine Einführung in die Didaktik. Bad Heilbrunn.

Mit freundlicher Genehmigung des Klinkhardt Verlages.
www.klinkhardt.de/verlagsprogramm/1451.html

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