Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Vorrecht LehrerInnen

LehrerInnen sind zunächst einmal Teil des Kollegiums bzw. der Gruppe der LehrerInnen. D.h. das solidarische Gefüge verbindet LehrerInnen untereinander, so dass jeder Lehrer bzw. jede Lehrerin grundsätzlich erst einmal auf der Seite der anderen LehrerInnen steht und diese vor allem gegen Außenstehende (Eltern, SchülerInnen, Oberschulamt etc.) unterstützt und schützt. Man kann aber in diesem Zusammenhang keineswegs von einer bedingungslosen Solidarität sprechen, da LehrerInnen andererseits sehr gewissenhaften das Vorgehen ihrer KollegInnen hinterfragen und kritisch beobachten. Auch wenn das Zusammengehörigkeitsgefühl Angriffen von außen standhält, so existieren zwischen einzelnen LehrerInnen große „solidarische Lücken“, die vor allem im Lehrerzimmer zu beobachten waren. LehrerInnen-Solidarität ist folglich eine Art Waffe zur Verteidigung gegen Angriffe von außen, sprich einem gruppenexternen Gegenüber. (1)

18.10.02
Micha bekam bei Herrn Dr. Behringer einen Klassenbucheintrag wegen „zu heftigem Verabschiedens“. Als Herr Hofstätter den Eintrag las und Micha zur Rede stellte, der auf die Harmlosigkeit des Ganzen zu sprechen kam, antwortete ihm Herr Hofstätter: „Wenn Herr Behringer sich gestört gefühlt hat, dann wird es schon stimmen.“

Aufgrund des solidarischen Gefüges stellt sich Herr Hofstätter auf die Seite von Herrn Dr. Behringer, obwohl er selbst nicht Zeuge der Situation war, die zum Klassenbucheintrag führte. Das subjektive Gefühl Herrn Dr. Behringers, sich gestört zu fühlen, reicht aus, um den Klassenbucheintrag zu legitimieren. Das LehrerInnenwort gilt immer, so könnte man sagen. Zumindest gilt es immer mehr als das Schülerwort. Ein Versuch zur Objektivierung der Situation, die zu dem Eintrag geführt hat, muss daher nicht unternommen werden. Die Sichtweise des Kollegen wird unbesehen akzeptiert – eben weil es die Sichtweise eines Kollegen ist. Obwohl schon die Formulierung „wegen zu heftigen Verabschiedens“ die Harmlosigkeit von Michas Verhalten andeutet, wehrt Herr Hofstätter dessen Verteidigung – wie es scheint – prinzipiell ab.
Nachdem sich nämlich die Klassenbucheinträge von Herrn Dr. Behringer mehrten, d.h. die Zahl der Einträge im Vergleich mit Einträgen anderer LehrerInnen unverhältnismäßig hoch war, ließ sich Herr Hofstätter die Zusammenhänge, die jeweils zu den Einträgen geführt hatten, auch von den SchülerInnen explizit schildern und erläutern. Er zeigte Interesse und Verständnis für ihre Sicht der Ereignisse und lehnte ihre Darstellung nicht mehr prinzipiell ab.(2)

Fußnoten:

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Solidarität

(2) vgl. Kapitel VI.2.6. (SchülerInnen-Solidarität: Teamarbeit)

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