Hinweis – der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

 Falldarstellung

Interpretation

Die Jungen nennen mehrere Aspekte, durch die sich nach Ihrer Auffassung das Lernen im Kunstunterricht von dem in anderen Fächern unterscheidet. Für besonders wichtig halten sie, dass sie nicht von einander abgucken können. Diese Aussage gibt die Erfahrung der Kinder wieder: Beim Kunstunterricht gibt es kein richtig oder falsch und wie bei vielen anderen Aufgaben nicht nur eine Lösung, die möglichst alle Kinder finden sollen, wenn sie eine gute Note erhalten wollen, sondern im Gegenteil: Es ist gerade das Individuelle, das die ästhetischen Werke von einander unterscheidet und das deren besonderen Charakter ausmacht. Diese Eigenart des Kunstunterrichts entlastet die Kinder auch von der (wegen der schulischen Leistungsanforderungen) latenten Aufforderung abzugucken. Sodann loben die Kinder den Ideenreichtum und den innovativen Charakter des Kunstunterrichts. Auch sind hier andere von den Jungen bevorzugte Kommunikationsformen erlaubt. Die Kinder können sich zu den Mitschülern und Mitschülerinnen setzen, die sie gerne haben, und dürfen miteinander sprechen. Der Austausch mit den gleichaltrigen Kindern wird hier nicht als Störung angesehen. Dass die Stammgruppe beim Kunstunterricht zwei Räume benutzen kann, findet ebenfalls die Zustimmung der Jungen. Auch weiß nach ihrer Auffassung der Lehrer stets, wie sich fehlendes Arbeitsmaterial ersetzen und wie sich nach Abschluss einer Aufgabe weiter arbeiten lässt.

Die genannten Aspekte sind Ausdruck dafür, dass Rituale und Ritualisierungen im Kunstunterricht offener sind und mehr Freiheit zur Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung geben. Neue Verkehrsformen können ausprobiert und gelebt werden. Die dabei entstehende rituelle Lernkultur lässt mehr Raum für die Erfahrung von Alterität und für mehr Möglichkeiten der Differenzbearbeitung und die damit einhergehenden Veränderungen des Schulalltags zu, die von den meisten Kindern als lustvoll erlebt werden.

Wenn sich die Kinder neben Kinder setzen dürfen, die sie besonders mögen, dann ergibt sich daraus auch die Möglichkeit, während der Arbeit an einem ästhetischen Werk ein Peergespräch zu führen. Häufig bilden sich daher homogene Kleingruppen aus Kindern gleichen Geschlechts, Alters und ethnischen Hintergrunds. Diese Möglichkeit trägt dazu bei, dass der Kunstunterricht und der dieses Anliegen der Schüler akzeptierende Lehrer sehr geschätzt werden. Je offener die Lernrituale sind, desto mehr bieten sie auch Freiräume für Spontaneität und Eigeninitiative.

Transkriptionszeichen

└ – Beginn einer Überlappung bzw. direkter Anschluss beim Sprecherwechsel

(.) – kurzes Absetzen während des Sprechens

(3) – Pause während des Sprechens. Die Zahl zeigt die Anzahl der Sekunden, die eine Pause dauert

ja – betont

. – stark sinkende Intonation

; – schwach sinkende Intonation

, – schwach steigende Intonation

nei::n – Dehnung, die Häufigkeit vom : entspricht der Länge der Dehnung

((Klatschen)) – parasprachliche, nicht-verbale oder gesprächsexterne Ereignisse

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