Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Die problembelastete Grundschulzeit von Adam

Adam erlebt die ersten zwei Jahre auf der Grundschule ambivalent. Einerseits hat Adam gute Beziehungen zu seiner Klassenlehrerin und zum überwiegenden Teil seiner Mitschüler: „war jeder nett“, „klasse war sehr gu=gut //’hm hm’(schnell)// das mag isch sehr schön“. Andererseits bestehen seit der 1. Klasse Konflikte zu anderen Schülern. Adam hat vor diesen Angst und benötigt ein schützendes Umfeld, das in der 1. Klasse die Tochter einer Freundin der Mutter bietet: „also sie hat misch geschützt äh von den anderen“. Er ist in den ersten Klassen ein fleißiger und ehrgeiziger Schüler mit guten bis befriedigenden Leistungen, der sich durch häusliches Üben und zusätzliche Anstrengungen stets in der Schule zu verbessern versucht. Allerdings ist Adam auch ein Kind, welches von Schulbeginn an Probleme hat, den Anforderungen der Schule zu entsprechen. Auf seinem ersten Zeugnis wird klar, dass Adam bereits in der 1. Klasse Schwierigkeiten bekommt, die schulischen Anforderungen zu erfüllen: Adam war ein fleißiger und ehrgeiziger Schüler. Er brauchte jedoch im Unterricht Unterstützung der Lehrerin und der Mitschüler, um neue Lerninhalte aufzufassen und Arbeitsanweisungen umzusetzen.(1) Diese Unterstützung erhält er in den ersten zwei Klassen von einigen Mitschülern, die mit ihm die Hausaufgaben erledigen.
Eine plötzlich hereinbrechende Krankheit prägt nun den weiteren Verlauf seiner Schullaufbahn. In der zweiten Klasse erlebt Adam seinen ersten epileptischen Anfall, woraufhin eine Krankenhaustortour durch mehrere Städte für ihn beginnt und er zwei Jahre dem schulischen Unterricht fernbleiben muss. Im Krankenhaus wird Adam nicht unterrichtet und mit Mal- und Bastelarbeiten beschäftigt. Dieser lange Krankenhausaufenthalt und die Krankheit selbst – Adam erhält einen Ausweis für Menschen mit schwerer Behinderung – haben zur Folge, dass seine Hilfsbedürftigkeit zunimmt und sich seine Fähigkeiten und seine Leistungen in der Schule seiner Meinung nach verschlechtern: „ähm isch bin auch da zwei jahre in ä krankenhaus geblieben wegen mein krankheit //hmm// ähm . darum äh wegen mein krankheit kann isch au nisch mehr so lesen //hmm// ähm mein mathe war eigentlisch sehr gut , aber wegen mein krankheit (…) ja haat isch keine zeit zulele ähn sehr oft zu übm //hmm// darum bin isch schlechter gewordn isch war eintlisch sehr ‚gut’(stimme gehoben, betont)“.(2)

Nach dieser langen Fehlzeit wiederholt Adam die 2. Klasse und kommt in eine neue Klassengemeinschaft. In der neuen Klasse erhalten die Beziehungen zu den Mitschülern eine neue Qualität, was Adam mit der Krankheit begründet: „ja in der schule ham die misch hier ähm ä alle wegen mein krankheit äh ‚beleidicht’(betont) das fand isch nisch gut weil die ham misch so äh zum heulen gebracht (…) du musst dich wegen dein krankheiten zu m psychoarzt gehen“.
Neben diesen psycho-sozialen Degradierungen seines Selbst erfährt Adam dabei auch Angriffe auf seinen Körper. Er bricht sich nach dem Beinstellen eines Mitschülers das Schulterblatt und wird geboxt oder getreten. So fühlt sich Adam in der Klasse isoliert und ausgegrenzt: „keina nimmt misch hier als ‚freund’(betont)“. Die Lehrer reagieren seiner Meinung nach auf diese Aktionen nicht und nehmen ihn in seinen Problemen mit den Gleichaltrigen nicht ernst.

Dieses von ihm im Interview vermittelte negative Bild, das andere von ihm haben und das Adam für sich selbst entwirft, verschärft sich in der 4. Klasse. Hier wird eine Schulkonferenz für ihn abgehalten, weil er ein Messer mit in die Schule gebracht und einen Mitschüler damit bedroht haben soll. Bei Adam und seiner Familie verstärkt sich das Gefühl, von den Lehrern und den Mitschülern missverstanden zu werden: „die verstehn alles falsch“. Adam erfährt durch seinen Vater in diesem Zusammenhang, dass ihm aufgrund der Krankheit der Schulbesuch verweigert werden soll: „mein vater hat mir au immer gesagt , die lehrerins ham au , ähm mn gesagt dass isch , nisch in die schule ‚darf’ (betont)“. Er fühlt sich als Außenseiter, der nicht auf dieser Grundschule erwünscht ist.

In der Familie wird Adam unterstützt. Die selbstständig durchgeführten Hausaufgaben werden am Abend vom Vater kontrolliert. Zusätzlich zu den Hausaufgaben stellt ihm sein Vater Übungsaufgaben. Da seinen Eltern gute Leistungen sehr wichtig sind, haben diese schulischen Anstrengungen in der Familie einen hohen Stellenwert. Sie reagieren auf schlechte Leistungen aus der Sicht von Adam sehr zornig: „einmal ha am ersten tag hat meine mutter misch angeschrien“, „mein vater schimpft dann was is das und isch sag isch hab anfall bekommen“.
Trotz seiner Leistungsprobleme in der Schule möchten die Eltern, aber auch Adam, eine höhere Schulform beim Übergang anwählen, wovon ihnen aber die Klassenlehrerin aufgrund der mangelnden Leistungen und der psycho-sozialen Probleme abrät. Sie folgen der Hauptschulempfehlung der Klassenlehrerin, wenngleich die Wünsche des Besuches einer höheren Schulform nach wie vor bestehen.

Die sich zuspitzenden psycho-sozialen und leistungsbezogenen Probleme der Grundschulzeit verweisen bereits in der Grundschule auf eine brüchige und schwierige Schulkarriere von Adam, die an einigen Stellen krisenhaften Charakter annimmt. Im Folgenden soll nun – auf Basis der Rekonstruktionen – der individuelle Orientierungsrahmen in Bezug auf Bildung, Schule und schulischer Selektion von Adam dargestellt werden.

„mir ist schlecht (…) aber sonst is alles okay“: Die Normalisierung und Verkennung einer leidvollen Grundschulzeit – Ergebnisdarstellung des 1. Interviews

In Adams Grundschulzeit gibt es in schulischen Zusammenhängen in erster Linie problematische Peer-Beziehungen, die zu Beginn des Interviews thematisiert werden:

A: einz fand isch nisch seh äh sehr gut , da ,ähn neben mir äh m’ (stockend) saß ein ‚junge’ (stimme gehoben) er heißt stephan ähm . ((schluckt)) er nkn kn knickse immer mein , ‚hand’ (betont) //‚hm’ (leise)// ähm und noch er hat misch immer mit sein freund frank immer über mein krankheit beleidigt’ (stimme gehoben) . ähm das fandisch nisch gut und noch ähm , n ne dass , viele kinder misch nisch m als freund ((m benen ziegt)) ham

Diese negativ eingeführten Peer-Beziehungen und die körperlichen Angriffe auf seine Person („Hand umknicksen“) sind feste („immer“) Bestandteile der Grundschulzeit Adams. Damit wird eine dauerhafte Hilfsbedürftigkeit gegenüber auftretender Schülergewalt deutlich. Die Bewertung des Übergriffs in der Form: „einz fand isch nisch seh äh sehr gut“ verweist dabei auf eine Entdramatisierung und Bagatellisierung der Gewalt. Neben den physischen Bedrängungen erfährt Adam im Rahmen der Gleichaltrigenbeziehungen, ebenfalls aufgrund der Krankheit, psychische Abwertungen und Missachtungen („über mein Krankheit beleidigt“).
Die körperliche Beeinträchtigung, die Adam mit „meine Krankheit“ dem eigenen Selbst zuordnet, wird von den Mitschülern zum Anlass genommen, um ihn sozial zu denunzieren, zu entwürdigen und sein Selbstverständnis fundamental anzugreifen, und dokumentiert erneut die besondere Hilfs- und Unterstützungsbedürftigkeit Adams.
Er besitzt einen positiven Gegenhorizont besonderer Hilfs- und Unterstützungsleistungen seiner Person. Die starken physischen und psychischen Übergriffe bilden einen negativen Horizont seiner Grundschulzeit, jedoch führt er keine Enaktierungspotentiale dagegen ein und bearbeitet die Bedrohungen durch Normalisieren. Adam besitzt einen Orientierungsrahmen, sich trotz der problematischen sozialen Beziehungen in der Schule den Gefährdungen auszusetzen. In diesem individuellen Orientierungsrahmen von Adam kanalisieren und verfestigen sich seine Hilfs- und Unterstützungsbedürftigkeit und das Leiden an den Mitschülern in der Krankheit.

Diese Krankheit bündelt die Probleme in der Grundschule und steht im Zusammenhang mit den Integrationsproblemen Adams in die Klasse („viele kinder misch nisch m als freund ((m benen ziegt)) ham“). Daneben wird er vor allem von den deutschen Mitschülern für seine schlechteren Leistungen ausgelacht:

A: und den deutschen deutschen äähm lachen misch aus wenn isch sch schlechte noten hab //’hmh’(betont)// darum ähm , dann sag isch den deutschen man num nu noten nisch

Die Thematisierung des Auslachens verweist auf eine Scham bezüglich der Noten und führt dazu, dass Adam seine Noten verheimlicht. Neben diesen leidvollen Erfahrungen auf der Peer-Ebene, sind ebenfalls die sozialen Beziehungen zu den Lehrern aus der Sicht von Adam hochdramatisch und bestätigen die bisherigen Rekonstruktionen.

A: fast alle äh ,lehrerinnen’ (stockend) ha- ham misch ,gehasst’ (stimme gehoben) . ja we ähm ähm isch hab ma ein mi ma ein messer äh zur schule gebracht ‚ausversehen’ (stimme hebt sich)

Diese globale Abwertung als wertloser Schüler aus der Sicht von Adam wird im Zusammenhang mit einer zentralen Geschichte der Grundschule eingeführt.(3) Er hat „ausversehen“ ein, wie er selbst sagt, „gruseliches“ Messer in die Schule mitgebracht und soll einen Mitschüler mit diesem Messer bedroht haben. Dies führt dazu, dass eine Schulkonferenz für Adam abgehalten wird:

A: und dann hab isch es in mein , äh dings vergessen , hose //’hea , hea’(schnell)// und dann noch ähm . ‚hajich haja’ (kehlich) hab ich es hat ‚naaah’ (kehlig) mein freund kmein dieses messer ‚gesehn’(betont) //mhmh// und auf m ‚oahh’(kehlig) von mein hose ‚rausgenommn’(stimme gehoben) und gezeigt äähm und jeder l dadachte ich wollte was schlechtes machen (…) und ähm wegen dieses ‚messer’ (betont) //hm// wewar für misch eine komfe’renz’ (betont) //mhmh// äähmm , das f fand isch nisch so gut //hm hmhm// . ‚ja’(ausatmend) , sonst nich ..

Die Art und Weise der Erzählung dieser Messergeschichte als eine Aneinanderreihung unglücklicher und nicht plausibler Umstände, wie das Messer in die Schule kommt und ausgepackt wird, deutet auf eine konstruierte Geschichte Adams hin, die ihn entlastet und seinen Opferstatus innerhalb der Klasse legitimiert. Die Messergeschichte drückt darüber hinaus den handlungsschematischen Versuch Adams aus, symbolisch seine Wehrhaftigkeit zu zeigen.
Das verschärft aber seine Position als Opfer und Außenseiter, da dieser Versuch in einer schulöffentlichen Konferenz und in der Selbstwahrnehmung eines stigmatisierten, schulischen Problemfalls mündet. Diese Konferenz hat zur Folge, dass aus seiner Sicht lediglich seine Klassenlehrerin noch „nett“ zu ihm ist und sein Vertrauen genießt. Der positive Horizont Adams wird beispielhaft in der Hilfe der Lehrerin als Ausnahme in der Grundschulzeit eingeführt: „ich fandse gut dass mein lehrerin , mhm bei mein hausaufgaben immer geholfen hat“. Die Lehrerin übernimmt Hilfe- und Ersatzleistungen, versteht aus der Sicht von Adam seine Probleme und wird zu einer wichtigen Akteurin seiner Grundschulzeit.

Die Art und Weise der Thematisierung dieser für die Grundschulzeit von Adam exemplarischen Geschichte konkretisiert somit den Orientierungsrahmen, dass Adam in seiner Konstruktion, die Hilfsbedürftigkeit nicht selbst zu verantworten hat, sondern dass ihm diese fremdbestimmt und zu Unrecht zugewiesen wird. Die Krankheit und seine Opferrolle durch die Beschuldigungen und die Nicht-Anerkennung der meisten Lehrer und Schüler entlasten ihn.

Dieser Orientierungsrahmen wird auch in der Thematisierung von Noten und Leistungen deutlich. Hier wird ebenfalls die Bedeutung der Krankheit als entlastende Begründungsfigur für die Leistungsentwicklung entlang der Grundschullaufbahn eingeführt. Adam erhielt zunächst bessere Noten als von ihm erwartet: „ich dachte d isch krig ,schlechte noten’ aber das st ‚stimmte’ (stockend) nich , isch hab , äh gute noten bekommen“. Diese Beschäftigung mit Noten macht deutlich, welche hohe Relevanz den Noten im Orientierungsrahmen von Adam beigemessen wird. Die guten Noten und die Irritation des negativen (Fähigkeits-)Selbstbildes lösen nun Enaktierungspotentiale bei Adam aus: „hab isch mehr geübt“, was auf Leistungsambitionen hinweist. In diese Transformation bricht ein plötzlicher „anfall“ als ein wichtiges Ereignis und eine „harte“ Zäsur der (Schüler-)Biographie hinein. Der Zusammenhang des Anfalls mit einem Absinken der Leistungspotentiale von Adam („hausaufgaben schlechter gewordn wegen mein krankheit“) und mit einem Krankenhausaufenthalt dokumentieren die Schwere des Anfalls und die Dramatik, die mit diesem überraschenden Ereignis als eine Art Schicksalsschlag verbunden sind. Der weitere Verlauf der Schullaufbahn bezüglich von Noten und Zeugnissen ist durch diese Krankheit bestimmt: „dreier und vierer sind gekommen (…) fünfer und sechser sind geblieben“. Seine Wahrnehmung der Leistungsentwicklung zum Zeitpunkt des Interviews: „immer besser schlechter besser schlechter gemischt“ verweist dabei auf eine unkalkulierbare Einschätzung seines Leistungsstandes und auf eine Konstruktion der fremdbestimmten Entwicklung, die sich der eigenen Verantwortung entzieht. Dies belegen auch seine Argumente für das Zustandekommen der schlechten Zensuren und der unkalkulierbaren Leistungseinbrüche: „isch denk immer dass isch eine gute bekomme aber dann geht’s auf einmal schlecht . (…) isch nehm jetzt oft , vierer vierer weil , ähm isch weil isch ((ausatmen)) krank werde in der äaä arbeit immer“. Die Krankheit, die wie eine Gesetzmäßigkeit während einer Arbeit eintritt, wird als eine allgemeine Begründungsfigur für schlechte Leistungen herangezogen. Gute Noten und Verbesserungen der Leistungen bilden somit einen positiven Gegenhorizont von Adam. Dafür scheinen in der Grundschule Enaktierungspotentiale des Übens auf. Adams schicksalhafte Krankheit ist die zentrale Bearbeitungsform schlechter Noten. Dieser geronnene Orientierungsrahmen der eigenen unverschuldeten Hilfsbedürftigkeit und des unverschuldeten Scheiterns an den eigenen hohen Ansprüchen bestätigt sich auch an anderen Stellen des Interviews:

I: ‚und wie wichtig is dir das dass du gute noten schreibst’(fragend) .
A: sehr wichtich //ja ((lacht) // eientlisch sehr wichtich
I: ‚ja und und deinen eltern ‚(fragend)
A: na au sehr wichtich
I: ‚ja’(fragend) ‚redet ihr oft über noten ‚(fragend)
A: e schon naja mhm wee äh jaa wei schon mein vater sehr oft //hm hmm// fast jeden tag
I: ‚ja’(fragend)
A: ja ((sie)) versuchen sehr viel , zu schaffen //aha//und deswegen , zum beispiel am tag übe isch fast eine stunde oder zwei stunden , ahm immer nachts üb isch ja von sechs bis acht so , sehr viel //hmm// ähm m b bis nachts

Deutlicher noch als bei Adam, spiegeln sich die Aspirationen auf gute Noten bei den Eltern wieder. Vor allem der Vater konfrontiert ihn täglich mit seinen Leistungserwartungen („mein vater sehr oft“, „fast jeden tag“). Durch die zusätzliche Kommunikation eines für Adam hoch problematischen Bereichs drückt sich eine deutliche Beanspruchung in der Familie aus. Der Vater hält ungebrochen an dem positiven Horizont eines guten Schülers fest und verkennt damit Adams tatsächliche Situation. Die Leistungsethik der Eltern und das familiale Projekt („sie versuchen sehr viel zu schaffen“) haben Auswirkungen auf Adams Schülerbiographie.
Adam wird viel gefördert, indem mit ihm bis in die Nacht geübt wird. Dieser Förderung versucht Adam zu entsprechen, so dass er bis an Erschöpfungsgrenzen geht: „zum beispiel am tag übe isch fast eine stunde oder zwei stunden , ahm immer nachts üb isch ja von sechs bis acht so , sehr viel //hmm// ähm m b bis nachts ü aa ö sechs sehr nachts“. Adam reagiert mit Erschöpfung, welche wiederum Einfluss auf seine Leistungsfähigkeit in der Schule hat: „isch werde müde in der schule och dann weil isch zu spät (…) schlafe dann“.
Diese Passage macht deutlich, dass Adam das familiale Bildungsprojekt in seinem individuellen Orientierungsrahmen verbürgt. Jedoch verfügt er gegenüber den überfordernden Bildungsambitionen und dem Erfolgsdruck seines Vaters über keine Enaktierungspotentiale und scheitert an diesen. Allein die Krankheit erklärt als zentrale Begründungs- und Entlastungsfigur schlechte Noten und Leistungen.

Die dramatische Schulkarriere von Adam setzt sich auch bei der Entscheidung für eine weiterführende Schule fort. Hier zeigt sich zunächst, dass der angestrebte Wechsel auf eine Gesamtschule nicht verwirklicht werden kann und auf eine nicht gewünschte Schule ausgewichen werden muss: „eintlisch wollten wa mit meim vater , gesamtschule“.(4) Zudem haben die Schwester und türkische Freunde, die bereits die Gesamtschule besuchen, bei der Schulwahl Bedeutung: „wegen mein schwester mein schwester geht wo dahin //aha// ähm viele aus unser straße die türken“. Die angestrebte Wahl der Gesamtschule dokumentiert die Bedeutung von vertrauten Beziehungen. Im weiteren Interviewverlauf wird deutlich, dass Adam in Abgrenzung zum kollektiven Wunsch zunächst die Realschule anvisiert:

A: und real ä isch wollte es ei ä eintlisch ham mm //hae// wir dachten wir wolln real aber hö ich ei isch will an ei eintlisch rea gehen aber schaff //hm// isch nich darum wir wolln ((mit)) mein vater gesamt schaffn

Allerdings kann diese Ambition Adams aufgrund seiner mangelnden Leistungen nicht umgesetzt werden. Der Schulformwunsch von Adam deutet auch auf eine Überschätzung seiner schulischen Möglichkeiten und der Angemessenheit einer realistischen Schulwahl hin. Da ebenfalls die Realisierung des Gesamtschulwunsches nicht möglich ist, dokumentiert sich bei Adam eine stufenförmige Abstufung der Bildungsaspiration und eine Verhinderung seiner Wünsche nach Einbindung in vertraute Freundschaftsnetzwerke. Die Hauptschule wird vor diesem Horizont zur erzwungenen und aufoktroyierten dritten Wahl und steht am Ende des gescheiterten Familienprojekts. Die Ursache dieses Scheiterns wird erneut in der Krankheit gesehen:

A: aba , ähm na , ja wegen //hm hmm// krankheit is es schlechter gewordn , noten und danach hat frau hendrich vorgeschlagen gesamtschule //hmm// ä a isch mein hauptschule //hmm// und und danach hat mein vater gesagt , ä m adam soll in die haupt’schule gehen’(tontlos) .

Adam findet den erzwungenen Besuch der Hauptschule „eintlisch sehr schlecht“. In der Fokussierungsmetapher „sonst is es mir schlecht“ drücken sich seine Bauchschmerzen vor dem Übergang aus, die er mit der fehlenden Peer-Einbindung und Befürchtungen hinsichtlich Schülergewalt („ich hab angst dass da kinder sich verprügeln“) begründet. Damit kommt die verfestigte Orientierung zum Ausdruck, dass sich seine Opferrolle an der Hauptschule fortsetzen wird. Die Ängste werden in der Entlastungsfigur des Kennens: „ich war da schon mal da drinne“ bearbeitet. Diese Thematisierung verweist auf eine deutliche Ablehnung dieser Schule, auch wenn noch kein Druck wirksam ist, diese täglich zu besuchen. Die Hauptschule verspricht aus seiner Sicht wenige Transformationsmöglichkeiten, die Schwierigkeiten der Grundschulzeit zu kompensieren und die Orientierungen auf Schule und Bildung umzusetzen. Vielmehr hätte ein Real- oder Gesamtschulbesuch als positiver Gegenhorizont, mit der Flankierung der vertrauten Gemeinschaft und als ein adäquater Bildungsraum mit entsprechender Statusplatzierung, ein solches Potential für Adam gehabt.

Zusammenfassung zum individuellen Orientierungsrahmen und Ausblick auf die weiterführende Schule

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass den positiven Bezügen auf Schule und Noten bei Adam deutliche Leistungs- und Peer-Problematiken gegenüberstehen. Trotz der exponierten Schwierigkeiten besteht die Hinwendung auf Bildung und Schule im individuellen Orientierungsrahmen Adams. Zudem kommt er aus einem sehr bildungsambitionierten und -orientierten Elternhaus und scheitert am Leistungs- und Erfolgsdruck der Eltern, was zu zusätzlichen Belastungen führt. Adams Leistungsprobleme bündeln sich in der Krankheit, die in der Schule vor allem auf Peer-Ebene durch Anerkennungs- und Integrationsprobleme flankiert werden. Zur Bewältigung dieser multiplen Problematik wird im individuellen Orientierungsrahmen neben Normalisierungstendenzen und verkennenden Einschätzungen („is alles okay“, „sonst nix“) der eigenen Leistungsmöglichkeiten vor allem in der Metapher „meine Krankheit“ die Zuständigkeit und Verantwortung für die gesteigerte Hilfsbedürftigkeit schicksalhaft abgegeben. Gerade diese Normalisierungstendenzen, die verkennenden Einschätzungen und Zuständigkeitsverlagerungen verschärfen die Problematiken der Erfahrungs- und Handlungsebene und wirken zur Lösung der Problematiken kontraproduktiv.
Der Übergang auf die Hauptschule birgt das Krisenpotential, die Leistungs- und Aufstiegsambitionen an dieser Schule nicht umsetzen zu können und, aufgrund der negativen Antizipationen von Adam hinsichtlich seiner Opferrolle, eine problematische Schulkarriere mit umfassenden Belastungen fortzuführen. Andererseits könnten mit dem Übergang für Adam die Chancen entstehen, sich in einem kompensatorischen Milieu der Hauptschule in seinen Leistungen zu stabilisieren und in eine neue Klassengemeinschaft zu integrieren.

Beschreibung des Ankommens von Adam auf der Hauptschule

Adams problembelastete Schulkarriere setzt sich an der Hauptschule fort. Es existieren nach wie vor Leistungsdefizite und ein schwieriges Verhältnis zu einem Teil der Mitschüler. Adam ist auch in der Hauptschule in Konflikte und gewaltförmige Handlungen eingebunden. Die regelmäßigen Gewaltaktionen, die sich häufig in der Mittagsbetreuung nach dem Unterricht ereignen, sieht er aber nicht mehr allein gegen sich gerichtet und bettet sie in den Hauptschulkontext ein, so dass sich die Beziehungen zu den Mitschülern aus seiner Sicht etwas gebessert haben. Zudem erlebt er die Entschuldigungen nach den Konflikten positiv und berichtet davon, dass ihm bei Krankheit die Hausaufgaben gebracht werden. Ebenfalls hat Adam einige Freunde in den höheren Klassen an der Hauptschule, die er durch seine Familie und aus der Moschee kennt. Seine Angst vor Gewalt besteht im 2. Interview aber ungebrochen weiter. Allerdings haben die Beziehungen zu den Lehrern, aus der Sicht von Adam, eine neue Qualität erhalten. Vor allem seinen Klassenlehrer Herr Eisen hebt Adam immer wieder im Interview als netten Lehrer hervor. Er hat das Gefühl, dass ihm die Lehrer an der Hauptschule ernst nehmen. Neben den Lehrern betrachtet Adam die Möglichkeit, an einer „Bude“ etwas kaufen zu können, als Zugewinn.
Auf der Leistungsebene macht er deutlich, dass er trotz der Aussage, den Stoff leichter als an der Grundschule zu erleben, enorme Probleme hat, dem Unterricht zu folgen und sich zu konzentrieren. Vor allem in Mathematik kommt er im Unterricht nicht hinterher, so dass er in einem ersten Test auch die Note Sechs erhält. Ebenfalls eine Vier in Englisch widerspricht seinen Leistungserwartungen. Lediglich eine Zwei in Deutsch ragt in der Anfangszeit heraus und stimmt mit seinen und den Leistungswünschen der Eltern überein. Diese üben auch auf der Hauptschule Druck auf Adam aus und animieren Adam zum häuslichen Lernen, das drei bis vier Stunden dauern kann. Da er in der Anfangszeit zwei Wochen krank ist, muss Adam vor allem in den Herbstferien viel üben. Die täglichen Hausaufgaben erledigt Adam aber nun in der Mittagsbetreuung der Schule. Die außerschulischen Unterstützungsangebote, wie die Therapien, besucht er nicht mehr. Auch im 2. Interview äußert Adam den Wunsch, einen Real oder Gesamtschulabschluss abzulegen, jedoch sieht er nun auch den Hauptschulabschluss als Alternative.
Wenngleich Adam in der Hauptschule nicht mehr so umfassend von den Problemen auf der Leistungsebene und der sozialen Ebene berichtet und einige positive Momente aufscheinen, findet er sich bereits zu Schuljahresbeginn an der Hauptschule leistungsmäßig am unteren Rand wieder. Die soziale Integration in die Klasse ist zudem fragil, so dass sich seine schwierige Schulkarriere zunächst fortsetzt und eine positive Wende nicht in Aussicht ist.

„die ham gesagt äh wenn du noch ein sechs bekommst wirst du zu sonder geh’n“. Die Fortsetzung einer Versagenskarrierre – Ergebnisdarstellung des 2. Interviews

Adams problematische Schullaufbahn lässt sich vor allem, wie die Rekonstruktionen der Ankommenspassage belegen, auch darauf zurückführen, dass er sich durch seinen – in der Grundschule geronnenen – Orientierungsrahmen sehr ängstlich und ablehnend auf die Hauptschule als Schulform bezieht:

A: ja , ähm ich hatte ein bisschen angst dass die großen , w=ähm uns kleinen äh ‚verprügeln’ (stimme gehoben) weil hier is ja ein bisschen für die gröm- , ‚bösen’ (betont) ‚kinder’ (lachend) //ja// ja äh so bei gesamt gymnasium die schlauen und hier , naja ein bisschen nisch schlau darum ähm hat ich angst

Zu Beginn des 2. Interviews thematisiert Adam die konkreten Erfahrungen des Ankommens nicht und formuliert zunächst allgemeine Gewaltbefürchtungen und -erwartungen bezüglich der Hauptschulform. Somit führt er eine Theorie ein, die die Hauptschule, in Abgrenzung zu einer Welt der Gesamtschule und des Gymnasiums, als „Dschungel“ charakterisiert, in dem die Stärkeren die Schwächern verprügeln und keine moralischen und zivilisatorischen Gesetze herrschen.(5) Adam lehnt diese Schulform und die antizipierten Verhaltensweisen ab. Jedoch gibt es keine Enaktierungspotentiale zur Umsetzung seiner Orientierungen in die positiv besetzte, vernünftige und zivilisatorische Welt. Trotz der deutlichen Ablehnung des „Dschungels“, verweist diese Passage auf einen Orientierungsrahmen, sich der Welt der Hauptschule auszusetzen und lediglich das Kommen in diese Welt zu bearbeiten. Um in dieser antizipierten, bedrohlichen Welt aus seiner Sicht zu „bestehen“, sucht Adam am ersten Schultag vertraute soziale Netzwerke auf („bin ich sofort äh wo mein bekann- bekannten is da hin gegang“). Bekannte Schüler aus der Grundschule geben ihm Halt.

A: äh=ein paar kinder kenn ich auch aus der grundschule , ähm wir warn äh froh dass wir in eine schule selbe schule warn ,

Auch an anderen Stellen des 2. Interviews werden seine Orientierung und die Bedeutung von stabilen sozialen Beziehungen als Schutzraum im Gefahrenkontext der Hauptschule deutlich. Dabei dokumentiert sich in der Herstellung des Themas, dass es weniger um Beziehungsqualitäten als vielmehr darum geht, von anderen nicht angegriffen zu werden und mit Mitschülern gut auszukommen. Neben den Peers entwirft Adam besonders eine fürsorgliche und funktionierende Klassenlehrer-Schüler-Beziehung als positiven (Schutz-)Horizont.
Außer den Befürchtungen und der Artikulation von Schutzbedürftigkeit, führt Adam in der Anfangserzählung zum Ankommen ebenfalls minimale Statusgewinne durch die Schule ein. Zum einen ist es aus seiner Sicht ein Statusgewinn der Konsummöglichkeiten an einer „Bude“, an der er „alles mögliche kaufen“ kann. Zum anderen erfährt Adam eine von außen gesteuerte, normale Entwicklung, kein Grundschüler mehr zu sein, als Statusgewinn.

Damit zeigt sich in dieser Ankommenspassage, dass Adams individuelle Orientierungen darauf abzielen, in der für ihn gefährlichen „Dschungelwelt“ der Hauptschule zu bestehen.
Es geht folglich in seinem Orientierungsrahmen in erster Linie darum, mit den Mitschülern gut auszukommen, von diesen nicht angegriffen zu werden und auch mit den Lehrern ein gutes Verhältnis aufzubauen. Schulische Erfolge und Leistungen durch gute Noten und die Bildungs- und Statusorientierungen des Vaters treten in den Hintergrund und werden nicht thematisiert. Statusgewinne werden bereits durch natürliche (der Wechsel an sich) und marginale Veränderungen („Bude“) erfahren. Adam besitzt zwar einen schulaffinen Orientierungsrahmen, was sich darin zeigt, trotz der antizipierten Bedrohungen Schule zu verbürgen und hinzugehen, jedoch bewegen sich seine zentralen Orientierungen um das Thema, in der nicht gewollten und gefährlichen Welt der Hauptschule durch feste und stabile soziale Beziehungen grundsätzlich zu „überleben“.

Wie in der Anfangserzählung des 2. Interviews rekonstruiert, beziehen sich Adams individuelle Orientierungen in der Hauptschule vordergründig nicht auf Noten und Leistungen. Die Thematisierung von Noten, die durch den Interviewer initiiert wurde, verweist nun darauf, dass gute Noten für ihn Bedeutung haben, aber vor allem im Kontext der Familie anzusiedeln sind. Auf die offene Frage, wie es für Adam ist, an der neuen Schule eine Arbeit zurück zu bekommen, entwickelt sich folgender Diskurs:

A: ja heute , bei englisch dacht ich ähm ich- äh ich bekomm eine zwei aber das war das zweifache eine vier ((angedeutetes leises lachen)) ähm aber ich freu mich trotzdem aber das es nich sechs geworden is , ja ähm , in zeugnis hab ich ja hat ich ja eine zwei , mathe hat ich ja ha=ha hab ich äh zurückgegeben , ich hatte eine , ‚was war-’ (angedeutete frage) warte ich hatte ei- wie ich gesagt habe ha=hab eine sechs . ja . ich kann mich nich erinnern , ((jetzt))
I: mh , ‚du hat’st jetzt hier auf dieser schule mathe ne sechs’ (fragend)
A: ja , eine sechs I: wie=wie war das wie’ (fragend)
A: ‚na dann war ich sehr sehr wütend (4) dann hat mein mutter mir geschimpft , und mein vater weil ähm hier darf m- die ham gesagt äh wenn du noch ein sechs bekommst wirst du zu sonder geh’n , darum geb ich mir mühe’ (leise, monoton)

Vor allem über die Androhung der Eltern („wenn du noch ein sechs bekommst wirst du zu sonder geh’n“) und die emotional erfahrene Sechs selbst, die Adam im Interview nicht plausibel thematisieren kann und die er zu tabuisieren versucht („ich kann mich nich erinnern“), wird die sich fortsetzende dramatische Situation auf der Leistungsebene von Adam in der abgelehnten Hauptschule deutlich. Trotz dieser Erfahrungen hält Adam nach wie vor an guten Leistungen (wie eine Zwei im Fach Deutsch) als positiven Horizont fest. Die Drehung: „ich freu mich (…) das es nich sechs geworden is“ als positiven Horizont darzustellen und Misserfolge als Erfolge umzudeuten, dokumentiert die antizipatorische Bearbeitung möglichen Scheiterns auf der Hauptschule. Neben dieser Bewältigungsform werden in dieser Passage der Modus der Ironie und die Durchschnittsnote des letzten Zeugnisses zur Bearbeitung der Leistungsdiskrepanzen verwendet. Neben diesen leidvollen Erfahrungen des Scheiterns erkennt Adam eigene Fähigkeitsgrenzen im alltäglichen Unterricht:

I: hm (4) ‚was denkst du woran woran lag das du jetzt in der ersten arbeit eine sechs geschrieben habt hast’ (fragend)
A: ähm , eigentlich lag das am , äh w- m=n- der herr ‚eisen’ (stimme gehoben) , liest das zu schnell , ähm zum beispiel ähm , fünfundachzig , plus äh vvierhundertdreiundachzig zum beispiel mal sag’n ähm und dann in einer sekunde möhm sagt’n er das andre=hö- , ähm so schnell kann ich ja nich arbeiten , darum , ja ‚das , find ich nich gut’ (leise) (…) ja , äh hier reden hier redet r=jeder wei=jeder reschreit redet ja darum , ah- kom- kann ich mich hier nie konzentrier’n

Diese Passage dokumentiert, dass Adam die Anforderungen der Hauptschule nicht bewältigen kann und eine andere Lernumgebung und -atmosphäre bräuchte, die sich angemessener auf seine Lernausgangslage bezieht. Er hat einen positiv Gegenhorizont eines Lernraumes, der absolut störungsfrei sein individuelles Lerntempo berücksichtigt. Adam schreibt die Ursachen für sein Scheitern den eigenen Fähigkeiten zu: „so schnell kann ich ja nich arbeiten“.

Trotz punktueller, positiver Leistungen (eine Zwei in Deutsch) und Verbesserungswünschen ist eine Krisenhaftigkeit im Orientierungsrahmen in Bezug auf Noten durch die schlechten Noten und die Androhung der Förderschule durch die Eltern nach wie vor gegeben. Die zur Bearbeitung der schlechten Leistungen auf der Hauptschule artikulierten Orientierungen eines unterstützenden und flankierenden Umfeldes in Familie und Schule (z.B. Lehrer) von Adam werden durch die Eltern negiert. Die Thematisierung ihrer Reaktion verweist auf eine zusätzliche Belastung für den individuellen Orientierungsrahmen von Adam.

Zusammenfassende Betrachtungen und Prognosen für die weitere Schullaufbahn von Adam

Die Rekonstruktionen der Passagen des 1. und 2. Interviews von Adam konnten durchweg zeigen, dass Adams bisherige Schulkarriere hochproblematisch verläuft und er viele Erfahrungen des Scheiterns zu bearbeiten hat. Neben den physischen und psychischen Bedrohungen auf der Peer-Ebene, muss Adam stufenförmig seine Bildungsaspirationen von einem Realschulabschluss auf einen Hauptschulabschluss korrigieren. Die ersten Bewertungs- und Lernsituationen auf der Hauptschule machen deutlich, dass selbst dieser Hauptschulabschluss gefährdet scheint und ein weiterer Abstieg droht. Damit muss Adam innerhalb weniger Monate seine Bildungsambitionen und -aspirationen und damit seine Zukunftsoptionen deutlich nach unten korrigieren und das Scheitern verarbeiten. Neben den Versagenserfahrungen in der Schule hat er zusätzlich den schulischen Druck seiner Eltern zu tragen. Im Vergleich zum 1. Interview, in dem Adam dieses umfassende Scheitern durch die Formeln („sonst nix“, „sonst in alles okay“) zu entthematisieren und zu normalisieren versucht, tauchen im 2. Interview neue Bearbeitungs- bzw. Bewältigungsformen auf, den Misserfolg noch als Erfolg darzustellen oder ironisch damit umzugehen. Bei Adam konnte zudem rekonstruiert werden, dass er trotz dieser negativen Erfahrungen schul- und bildungsaffine Haltungen und Orientierungen auf gute Leistungen aufweist. Die Art und Weise der Thematisierungen dokumentieren eine Bestehens- oder Überlebensmentalität in Bezug auf Schule im individuellen Orientierungsrahmen von Adam.
Vor dem Hintergrund des elterlichen Drucks und den Problemen zu Beginn der neuen Schule könnte sich prognostisch die Schullaufbahn von Adam verschärfen und weitere negative Erfahrungen drohen. Andererseits werden im 2. Interview, z.B. durch Lehrer und Mitschüler, auch Chancen für eine Stabilisierung seiner Schulkarriere thematisiert und wird die Opferrolle nicht mehr so stark wie im 1. Interview zum Ausdruck gebracht.

Fußnoten

(1) Das Zitat wurde vom Interviewer, dem das Zeugnis gezeigt wurde, im Interview laut vorgelesen und anschließend transkribiert.

(2) Die Krankheit hat ebenfalls Einfluss auf seine Freizeitgestaltung. So kann er bspw. nicht mehr zum Fußball gehen und muss viel Zeit für die Schule investieren.

(3) Die Aussage verweist darüber hinaus auf ein problematisches Arbeitsbündnis pädagogischer Betreuung und Beziehung zwischen Adam und den Lehrern.

(4) Wie schon bei dem Thema der Bedeutung von Noten wird der Vater als relevanter Akteur in schulischen Angelegenheiten eingeführt.

(5) Damit dokumentiert sich aber auch die starke Haltung, potentielles Opfer solcher Übergriffe zu sein.

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