Hinweis – der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Falldarstellung

Klasse 4y, 25.03.1999, Übergang Pause – Unterricht (10h27)

Zugleich im Türrahmen erscheinend betreten Wladimir und Canel den Raum. Beim Eintreten ziehen beide ihren Anorak ca. 20cm von den Schultern herunter, so daß sich die Ärmel aufbauschen. Während Canel den Anorak im Weitergehen ganz auszieht, geht Wladimir mit halb herabgezogenem Anorak weiter durch den Raum in Richtung Tafel bis zum OH-Projektor, kehrt dort um, geht zurück zum tischfreien Platz in der Mitte des Raumes, dreht sich dort um sich selbst, ringt kurz offenbar im Spaß mit dem ihn umfassenden Sören und geht dann zurück zur Garderobe neben der
Tür, zieht dort den Anorak aus und hängt ihn auf.

Interpretation

Hier unterbrechen Schüler den von ihnen begonnenen Vorgang des Ausziehens an einer bestimmten Stelle. Die Unterbrechung ist in zweifacher Hinsicht performativ aufgeladen. Zum einen verändert sich mit der Unterbrechung des Anorakausziehens das Erscheinungsbild der beiden Kinder (bei denen es sich kaum zufällig um Kinder handelt, die mit deutlichem Zeitabstand nach ihren Mitschülern als letzte den Klassenraum betreten). Die aufgebauschten Ärmel lassen ihre Arme voluminöser erscheinen, die frei gelegten Schultern wirken vergleichsweise klein und fragil. Zum anderen findet die Unterbrechung mimetisch statt. Die beiden Schüler ähneln sich einander in der Unterbrechung des Ausziehens an und ahmen dabei mit ihren Anoraks im Oberkörperbereich jene aktuelle Mode nach, die sich im Unterkörperbereich durch extrem weite und lange Hosen mit extrem tief hängendem Schritt auszeichnet. Als die Bewegungsmuster der beiden hier beobachteten Schüler auseinandergehen, nimmt Canels weiteres Verhalten der Unterbrechung ihre Bedeutung, während Wladimirs weiteres Verhalten diese Bedeutung noch zuspitzt. Das Um-Sich-Selbst-Drehen in der Mitte des Raumes unterstützt den modischen Sinn der Unterbrechung des Anorakausziehens. Das Raufen mit Sören unterstützt ihren pausenverlängernden, schuloppositionalen Sinn.

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