Hinweis – der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Falldarstellung

Dass der Schülertisch im Unterricht als, je nach Unterrichtsfach und Lehrervorgabe spezifische, Arbeitsfläche dient, ist bekannt und muss hier nicht ausführlich aufgezeigt werden. Uns interessiert, inwiefern und wie ritualisierte Aktionen und Interaktionen im Übergang von Pause zu Unterricht den Tisch einbeziehen.

Wie oben bereits erkennbar, sind die Tische des Öfteren schon zu Beginn dieser Übergangsphase leer oder nur mit Schreibwerkzeug versehen, d.h. offenbar schon Ende der vorhergehenden Unterrichtsstunde bzw. zu Beginn der Pause vor Verlassen des Raums geleert und so auf die nächste Unterrichtseinheit vorbereitet worden. Je nach Art und Grad vor der Pause erfolgter Vorbereitung wird sie im Übergang von Pause zu Unterricht fortgesetzt.

5x, 16.03.1999, Übergang Pause -Unterricht (10h23)

Jeannette setzt sich an ihren Platz, holt Hefte aus ihrem Schulranzen und legt sie auf den Tisch, holt eine Trinkflasche aus ihrem Schulranzen und trinkt. Jeannette, Stefan und Ulak unterhalten sich über ihre Tische hinweg miteinander.

Interpretation

Ähnliches lässt sich in der gleichen Klasse z.B. bei David, in der Klasse 4y z.B. bei Martin beobachten. Der unterrichtsvorbereitende Umgang mit dem Tisch schließt sich hier an jenes Verhaltensmuster an, das oben (siehe Tür bzw. Zutritt der Schüler in den Raum) als erstes und besonders schulaffirmatives Muster von drei weiteren unterschieden wurde. Schon drei Minuten bevor der Lehrer den Raum betritt und vier Minuten bevor er den Unterricht offiziell eröffnet, bereiten bestimmte Schüler wie beispielsweise eben Jeannette ihren Tisch als unterrichtsbezogene Arbeitsfläche vor. Dass sie anschließend noch etwas trinkt, sozusagen weiter frühstückt, und sich mit anderen Kindern unterhält, zeigt, dass sie diese Phase noch als Pause wahrnimmt. Zugleich signalisiert die Ausstattung der Tischfläche mit bestimmten Heften diesen und anderen Anwesenden, dass sie den Beginn einer bestimmten Unterrichtseinheit erwartet und für diese bereit sein will. Dieser Umgang mit dem Tisch kann als antizipierende Herstellung einer Unterrichtsgemeinschaft (die keine Summe aus Klassengemeinschaft und Lehrer ist) zwischen Schülern und Lehrer gedeutet werden. Andererseits birgt, wie noch zu sehen ist, die Präsentation von Unterrichtsdingen auf dem Tisch in der Übergangsphase ein Risiko, da andere Schüler eben diese an sich nehmen, wo anders hintragen oder sonstwie damit spielen können. So ermöglicht die schülereigene Herstellung einer Unterrichtsgemeinschaft und damit die Affirmation von Unterricht als Teil der Institution Schule schon im Vorfeld des eigentlichen Unterrichts und vor dem Eintritt des Lehrers anderen Schülern, schuloppositionelles Verhalten zu zeigen. Dass Schüler und Schülergruppen mit so unterschiedlichen Verhaltensmustern dennoch eine Klassengemeinschaft bilden, macht sich dann u.a. an Grenzziehungen gegenüber Klassenexternen fest.

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